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Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen

Titel: Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Tappe
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Busfahrt erreichten wir kurz nach Mittag den Sunset Point des Bryce Canyon. Normalerweise lade ich meine Gäste zu einer Wanderung auf
einem einfachen Rundweg ein, der uns in gut einer Stunde in den Canyon hinein
und auch wieder hinaus führt. Aber an jenem Tag hatte mich wohl der Teufel
geritten. Anders kann ich mir meine Schnapsidee heute nicht erklären. Da es
über dreißig Grad heiß war, wollte ich meinen Gästen den Aufstieg zurück zum
Aussichtspunkt ersparen und machte ihnen einen Vorschlag.
    „Wer Lust hat,
begleitet mich auf eine Wanderung zum Hotel. So schlagen wir zwei Fliegen mit
einer Klappe. Wir sparen uns den steilen Aufstieg und unser Fahrer muss nicht
warten. Er fährt schon mal zum Hotel und lädt das Gepäck aus. Wer nicht wandern
mag, darf den Fahrer gerne nach Tropic begleiten. Wir sehen uns dann später am
Hotel.“
    Die Leute
zeigten sich ebenso begeistert wie ich einige Jahre zuvor. Ich hatte keine
Zweifel, den Weg durch den Canyon zu finden. Immerhin kannte ich die
Wanderroute ja schon aus Erfahrung. Ich zeigte mit dem Finger in die Richtung,
in die wir laufen würden und erklärte den Gästen, dass unser Hotel „direkt
hinter dem kleinen Hügel am Horizont“ läge. Lediglich die beiden deutschen
Mädchen konnten sich nicht für den Fußmarsch begeistern und leisteten dem
Fahrer Gesellschaft.
    „Auf geht’s!“,
rief ich und nahm einen Schluck aus meiner halbvollen Wasserflasche.
    Der Abstieg in
den Bryce Canyon ist recht steil und nur mit stabilem Schuhwerk zu bewältigen.
Tief im Becken ist es auch an heißen Tagen erstaunlich angenehm, da die Sonne
aufgrund der eng stehenden Steingebilde kaum eine Chance hat, ihr Licht bis auf
den Boden zu strahlen. Ich gab ein paar letzte Anweisungen und bat meine Gäste,
den Abstieg mit Vorsicht zu genießen. Die Gruppe fieberte mit Spannung der
Wanderung entgegen und selbst die Stimmung der Sachertortenfresser konnte kein
Wässerchen trüben. Gut gelaunt machten wir uns auf den Weg. Nach etwa einer
Stunde schlug ich vor, eine kurze Pause einzulegen. Wir befanden uns an einer
Wegkreuzung in einem Kiefernwald. An dieser Stelle wurde mir zum ersten Mal
unwohl, da es keinerlei Beschilderung in Richtung Tropic gab. Die Wegweiser
zeigten ausschließlich die Entfernung zu den verschiedenen Aussichtspunkten am
oberen Rand des Canyons an.
    „Wissen Sie
denn, wo’s langgeht?“, wollte die Bergziege wissen.
    „Ja,
natürlich. Keine Sorge. Wie gehen einfach dem Bachlauf nach.“
    Ich muss an dieser
Stelle bemerken, dass ich weder darauf bestanden, noch kontrolliert hatte, ob
jeder meiner Gäste eine Flasche Wasser bei sich trug. Die Luft war trocken und
wir befanden uns auch auf dem Canyonboden in noch über 2000 Metern Höhe. Ich
nahm den letzten Schluck aus meiner Flasche, in der Hoffnung, das Hotel in
absehbarer Zeit zu erreichen.
    „Weiter
geht’s!“, ermunterte ich die Gruppe.
    Etwa dreißig
Minuten später nahm der Pfad ein Ende. Wir standen vor einem hohen
Stacheldrahtzaun. Ich war plötzlich nicht mehr sicher, ob ich den richtigen Weg
eingeschlagen hatte, denn an einen Zaun dieser Art konnte ich mich ganz und gar
nicht erinnern. Die Sonne knallte mittlerweile erbarmungslos auf unsere Köpfe,
da wir den Kiefernwald und die Sandsteinformationen bereits hinter uns gelassen
hatten.
    Ich wischte
mir den Schweiß von der Stirn.
    „Und nun?“,
fragte die Bergziege neugierig.
    „Wir haben
Durst“, taten die Sachertortenfresser kund.
    Alle waren
irritiert. Der Reiseleiter auch.
    „Es bleibt uns
nichts anderes übrig, als über den Zaun zu klettern“, erklärte ich souverän.
„Dort drüben sieht man schon die Straße. Da müssen wir hin.“
    Ich deutete
auf einen schmalen geteerten Weg.
    „Also, über
diesen Zaun kann ich nicht klettern. Da reiße ich mir ja die Klamotten kaputt“,
sagte einer der Schweizer.
    Ich drehte
mich um und zeigte mit dem Finger in die Ferne.
    „Von dort oben
sind wir gekommen. Ohne Wasser schaffen wir den Weg nie und nimmer zurück. Ganz
zu schweigen vom Aufstieg aus dem Canyon.“
    Die Gäste
schauten hilfesuchend in die Runde. Ich fühlte mich gar nicht mehr wohl in
meiner Haut. Vor allem sorgte ich mich um die Bergziege. Es war schwer
einzuschätzen, wie lange sie noch durchhalten würde. Ich war nicht einmal
sicher, wie lange ich selbst noch durchhalten würde. Und Frau Leetzenheimer
hatte immerhin fünfzig Jahre mehr auf dem Buckel als ich. Es gab kein Zurück.
Das Risiko schien einfach zu groß. Wir schoben

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