Hoppe
Kufe des Profis. Runter ins Knie und ab in die Kurve: You don’t have to know where it’s coming from but where it is going to! (Nicht vom Anfang her, sondern aufs Ende hin spielen!) Lauter leere Waschmittelbehälter und Bierdosen: Chase that! Uncanny anticipation! (Der weiß alles im Voraus!), a solemn squirrel, quick as a whisper. (Mein Eichhörnchen, schneller als der Wind!)
Denn Wayne, der Beste und Größte von allen (unschlagbar die Nummer 99 ) weiß genau, was jetzt kommt. Angriff und Abschied. Der erste frei Hand geschnitzte Schläger, der immer noch (längst verblasst, aber gültig) Walters unbarmherzige Handschrift trägt: Nimm nie in die Hand, wofür du nicht selber gekämpft hast! Daneben, in einer kleinen Vitrine, drei verlorene Zähne (nicht die ersten, sondern die zweiten, er war damals zehn!), die Wayne in einer frühen Schlacht lassen musste und für die es, aller Dentistenkunst zum Trotz, niemals einen Ersatz geben wird. Noch heute stehe ich ratlos vor dem »Glas der verlorenen Zähne«, und immer noch ist mir so kalt wie damals, weil ich jedes Mal friere, wenn ich Waynes kostbare Zähne sehe und Phyllis dabei leise lachen höre, weil sie genau sieht, wie ich da sitze und friere und wie ich mir, immer noch frierend, mit der Zunge über die eigenen Zähne fahre, um nachzuzählen, ob sie noch da sind: Seid ihr alle da?
Ja, tatsächlich, sie sind alle noch da, weil es das Krokodil gar nicht gibt und auch keinen Gegner und keinen Schläger, auch die Garage ist immer noch da. Und Phyllis und ich, umzingelt von Urkunden, Pokalen und Unterschriften, vom gestrigen Schläger, dem Ruhm von morgen, lauter leere Handschuhe und Schlittschuhe, aus denen Wayne längst herausgewachsen ist. Und Phyllis lacht und hört überhaupt nicht mehr auf zu lachen, weil sie lange vor mir begriffen hat, dass nur das der Sinn der Sache sein kann und womöglich der Sinn des Lebens ist: dass man sich Kinder für einen Handschuh einhandelt, für einen Schläger und ein Glas voller Zähne, weil Walter ein Sammler ist, mit Sinn für die Zukunft, ein Listenkönig, genau wie mein Vater, ein Mann mit Ahnung für großen Erfolg.
Während Phyllis, müde, lässig und sehr elegant, scheinbar ganz nebenbei, eine Zigarette aus ihrer Packung zieht und, indem sie sich großzügig Feuer gibt, unauffällig eine zweite nach oben schiebt, die sie mir hinhält: Jetzt, sagte sie, während sie das Streichholz gegen das Zündblatt rieb und dabei gut hörbar rasselnd und pfeifend zwei- bis dreimal deutlich durchatmete, jetzt sind sie weg und wir unter uns, und du bist alt genug, eine mitzurauchen.«
Es ist also Phyllis Gretzky gewesen, die Felicitas das Rauchen beibrachte, die ihrer Lieblingsstiefmutter nicht nur darin zeitlebens die Treue hielt, »auch wenn ich es«, wie sie später einmal schrieb, »im Rauchen genauso wenig zu Höchstleistungen brachte wie auf dem Eis oder später am Klavier«. Allerdings ist bekannt, dass Hoppe ihre Gäste auch noch in späteren Jahren, als das Rauchen längst zum Tabu geworden war, ausdrücklich dazu anhielt, nicht nur auf dem Balkon, sondern »im ganzen Haus und bitte auch in der Küche« zu rauchen, »weil mich das immer an Phyllis erinnert, auch wenn niemals jemand geraucht hat wie Phyllis, niemals wird jemand rauchen wie sie: selbstvergessen, höflich, entwaffnend nervös. Abwesend und zugleich auf dem Posten.
Ich weiß noch genau, wie sie frühmorgens rauchend in der Küche stand, wenn wir unsere Eishockeyrucksäcke packten und immer alles auf einmal fehlte: Wayne der Helm, Kim der Schläger, Glen die Schuhe, Keith die Maske, mir das Gitter. Und ganz nebenbei war auch noch Sonntag, und Phyllis hatte auch einen Traum, von dem wir nichts wussten, weil wir Kinder waren, und von dem sie nicht sprach, weil wir Kinder waren und weil Phyllis Phyllis war, die niemals davon gesprochen hätte, wie das gehen kann: zehn Kinder, zwanzig Schuhe und Handschuhe, zehn Schläger und Helme auf einmal im Schuppen. Und dass sie sonntags manchmal einfach nicht aufstehen wollte, weil sie davon träumte, sich kurzfristig umzudrehen und aus der warmen Versenkung heraus leise in Walters Richtung zu fragen: Könnte nicht alles auch anders sein? Haben wir diese Kinder wirklich?«
2. Miramare
» D er Abschied hat mir das Herz zerrissen«, schreibt Felicitas kurz vor ihrer Einschiffung nach Australien am 1 . November 1974 in einem Brief von New York nach Hameln und fährt fort: »Aber gleich heute Morgen beim Frühstück hat
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