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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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eins setzen lässt, strafen die Schiffsbriefe Hoppes die Autorin leise Lügen. Ganze Seiten ihrer Bordlektüre hat Felicitas in ihre Briefe hineinkopiert, ausführlich kommentiert und zum Teil sogar durch eigene Stücke ergänzt, weshalb die
Lektürebriefe
unter den Schiffsbriefen (abgelegt unter
Adelheidbriefe
) zweifellos zu den interessanteren Stücken der Sammlung gehören. Sie erlauben einen aufschlussreichen Blick in Hoppes frühe Schreibwerkstatt und machen deutlich, dass das von Hoppe später in jeder Hinsicht verfeinerte und perfektionierte Verfahren, Literatur aus Literatur herzustellen und dabei trotzdem einen eigenen Ton anzuschlagen, bereits hier in Ansätzen deutlich ist.
    So zum Beispiel, wenn sie nach der Lektüre eines Buches mit dem Titel
Terra Australis
in einer »Piratenparade« unter prägnanten wie plakativen Titeln Kurzporträts und Steckbriefe »großer Männer und Mörder« zeichnet, deren Leben sie offenbar faszinieren, darunter auch das eines gewissen William Dampier, zu dem wir unter
Schnelles Geld
folgenden Eintrag finden: »Eltern sterben, als D. noch ein Kind ist. Erhebt sich, um die Welt mit eigenen Augen zu sehen. Schiffsjunge in Neufundland. Zu kalt, zu dunkel. Auf nach Süden. Seekriege. Plantagenverwalter und Holzfäller. Große Träume vom schnellen Geld. Pirat unter Sharp und Coxon (gemeint sind Bartholomew Sharp und John Coxon/fh). Wenig Erfolg. Diverse Zwischenstationen. Kaperfahrten. Entdeckungen. Krankheit und Trunksucht. Heirat mit Gräfin von Grafton (Ehe kinderlos). Verfasser mehrerer Bücher. Anklage wegen mehrfacher Verschwörungen gegen die Krone. Betrugsprozesslawine. Stirbt hochverschuldet ( 677  Pfund) in London.«
    Wochenlang traktiert Felicitas die Mannschaft mit ihren historischen Ratespielen, wobei sie den Enthusiasmus der Mannschaft, wie meistens, überschätzt: »Wer von den dreien ist der älteste: Cook, Marco Polo, Magellan?, Wer hat mehr Menschen auf dem Gewissen: Coxon oder Sharp?, Wer hatte eine französische Großmutter: Dampier oder Wafer?, Wer fluchte lauter: Revison oder Simpson?, Wer hatte mehr als hundert Frauen: Jack Bird oder Old Mob?, Wer hat mehr Narben im Gesicht: Jack der Obrist oder Terry Sawchuk?, Wie viele Piraten heißen Tom?
    Lauter Fragen, die sie in ihren
Adelheidbriefen
auch ihren Geschwistern in Hameln stellt, von denen sie ebenfalls keine Antwort erhält. Der Fragenkatalog macht weniger deutlich, dass Felicitas Piratengeschichten liebte, als die Tatsache, dass sie vor allem auf Unterhaltung, Ablenkung und Anregung aus war. Und wie allein sie in Wirklichkeit war, »weil mir einfach niemand zuhören möchte«. Spätestens seit der Äquatorüberquerung war sie nämlich von einer »seltsamen inneren Unruhe« ergriffen, »keine Langeweile, sondern, weit schlimmer, etwas, das sich insgesamt schlecht anfühlt«, schreibt sie an ihre Geschwister. »Jeden Morgen wünsche ich mir, es würde sich endlich etwas ereignen, eine Meuterei zum Beispiel, oder wenigstens eine Messerstecherei, bei der einfach mal jemand über Bord geht und für immer verschwindet. Oder dass endlich ein richtiger Sturm aufzieht, so dass wir uns beim Essen festbinden müssen, um nicht durch die Fenster zu fliegen. (Das Wetter war, mit Ausnahme weniger kleiner Stürme die ganze Reise über vollkommen unspektakulär./fh)
    Aber nichts davon, hier ist einfach nichts los, der Koch bringt nicht mal die Kraft auf, uns die Suppe zu versalzen. Selbst wenn man die Hitze in Rechnung stellt, ist die Trägheit der Mannschaft skandalös: arbeiten, essen, trinken, schlafen, arbeiten, essen, Karten spielen. Kein Sport, keine Bücher, keine Lieder, rund um die Uhr nichts. (Wayne wäre das nicht passiert!) Kurz nach Mitternacht mache ich manchmal zwei bis drei Schritte, bleibe lauschend an der Tür zur Mannschaftsmesse stehen und höre sie drinnen gurgeln und lachen. Dann plötzlich Stille, gemeinsames Lauschen auf beiden Seiten, sie drinnen, ich draußen, leises Klopfen, das Klopfen der Knöchel beim Werfen von Karten, kann auch das Klopfen von Würfeln sein. Klirren von Flaschen und Gläsern, dann wieder Gelächter. Dass euch der Donner schände, ihr Hunde! Dann wieder Stille. An anderen Abenden kleine Tumulte, drinnen springt jemand auf Tische oder wirft Stühle im Kreis herum. Leise Schreie, ich stelle mir vor, wie ein Gesicht auf die Tischkante fällt oder zwischen die Gläser oder unter den Tisch, auf den Boden zwischen die Füße. Treten, schieben und stoßen. Schritte, die auf die

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