Hoppe
einfach: Fluchen wie die Matrosen.«
Der Fluch als lautstarker Ausdruck der Verzweiflung über die Unmöglichkeit, sich zur Sprache zu bringen, ist also nichts anderes als eine gesteigerte Form des Verstummens, der letzte Versuch, die Angst vor der Leere mit Hilfe kurzer Formeln zu bannen, »eine Art säkulares Stoßgebet«, so Hoppe, »das Einzige, was uns geblieben ist, wenn es uns wirklich ans Leder geht. Ein letzter Versuch der Kontaktaufnahme, auch wenn wir nicht wissen, mit wem.«
In ihrem Roman
Johanna
( 2006 , gemeint ist Jeanne d’Arc, die heilige Johanna von Orleans) dagegen heißt es: »Wie gut uns das tut! Wie sehr uns das Fluchen die Seele erleichtert, wie lässig dabei Schimpf in Schande aufgeht, in den Klatsch und Tratsch der falschen Behauptung. (…) Nur fluchende Herzen fühlen sich stark.« Wenig später aber: »Nur ein gläubiges Herz versteht sich aufs Fluchen, nur wer glaubt, dass Gott hört, kann ihn bündig verleugnen. Hochmut glänzt nur im Spiegel der Sünde, in der Hoffnung auf Strafe und Aufmerksamkeit. (…).«
Wer glaubt, Hoppe bemühe mit Johanna eine sperrige und katholisch verschrobene Figur des späten Mittelalters und rufe damit, wie wiederum Kai Rost bemerkt, retrospektiv Sprach- und Verhaltensmuster auf, die mit der Neuzeit »längst nicht mehr kompatibel« seien, verkennt, dass wir es hier mit einer Autorin zu tun haben, die, nicht nur was Flüche betrifft, ausdrücklich und ausschließlich in der Gegenwart lebt und die in ihrem Werk, jenseits der Wünsche von Lesern landläufiger historischer Romane, nicht in erster Linie dazu angetreten ist, uns anhand ihrer Geschichten »die Geschichte zu erhellen«. Wie wenig Talent sie für Letzteres besaß, wusste schließlich bereits ihr Erfindervater: »deutliche Schwächen in Landeskunde, Geographie und Geschichte«.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Hoppe, egal, wo sie war und zu wem und worüber auch immer sie sprach, wählte ihr Personal ausschließlich nach der Dringlichkeit ihrer persönlichen Anliegen und verfuhr dabei folgerichtig mit den Jahrhunderten nicht weniger fahrlässig als mit den Weltmeeren und Kontinenten. So wie sie sich einen eigenen Kosmos schuf, schuf sie sich auch ihren eigenen historischen Kanon von Nothelfern und Stellvertretern, um nicht nur auf See, sondern auch in ihren literarischen Abenteuern und nicht zuletzt im wirklichen Leben mit sich und ihren Angelegenheiten ins Reine zu kommen.
Dabei ist sie, wir haben es oben gezeigt, auf Partnerschaft angewiesen und zieht es vor, Allianzen zu schmieden, anstatt sich von ihren Figuren zu distanzieren und sie aus der Distanz heraus für ihr Publikum aufzubereiten. So auch in
Johanna
, wo die Autorin ihre Protagonisten in ein so angestrengtes wie anstrengendes Dauergespräch treten lässt und sich über weit mehr als zweihundert Seiten nicht im Geringsten dafür interessiert, ob ihre Leser dabei auf der Strecke bleiben, wenn es neben Fragen des Fluchens und Kämpfens unter anderem um typisch Hoppe’sche Spezialfragen geht, wie die nach »zeitgenössischer Jungfräulichkeit« oder um persönliche Zentralfragen wie zum Beispiel diese: »Wie krönt man richtig?«
Die Krönungsfrage hat Felicitas offensichtlich bereits auf der
Queen Adelheid
intensiv beschäftigt. Nicht nur, »weil mein Entführervater und ich«, wie Felicitas immer wieder behauptete, »zwischen Kanada und Australien ausschließlich und ausdrücklich im Dienst der englischen Königin reisen«, sondern weil während einer gemeinsamen Lesestunde in Kapitän Smalls Kajüte plötzlich die Frage aufgekommen war, was es eigentlich mit jener Adelheid, der Namensgeberin des Schiffes, auf sich habe. »Die Frage brachte mich in eine gewisse Verlegenheit«, erzählt Small später, »denn natürlich hatte ich keine Ahnung. Meine Güte, auf wie vielen Schiffen bin ich gefahren! So viele Schiffe und so viele Namen, wer soll sich das merken. Und wer will sich all die Geschichten merken, die hinter diesen Namen stecken.«
Also wendet sich Hoppe an Offizier Kramer, der wenig mehr weiß: »Alles, was ich von Kramer erfahren konnte«, schreibt Felicitas an ihre Geschwister, »ist, dass sie eine deutsche Prinzessin war, die irgendwo bei Euch um die Ecke wohnte und später Königin von England wurde.« Sie schließt ihren Brief mit der dringenden Bitte, in Hameln die Stadtbücherei aufzusuchen, um dort mehr über jene deutsch-englische Adelheid zu erfahren.
Felicitas’ Hartnäckigkeit ist bemerkenswert. Bei einem
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