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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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Mosaiks, über Jahre gesammelt, endlich zu einem Gesamtbild formen, alles zeigt sich »in einem neuen Licht, in einem unvermuteten Zusammenhang: der Stottermatrose, der Rattenfänger, meine Breslauer Mutter, Joey und Phyllis’ Geschichte von jenen Kindern, die endlose Wege zurücklegen müssen, um von Klemzig nach Klemzig zu kommen, weil sie (was für ein Irrtum meinerseits!) das Schiff gar nicht bestiegen haben, um die Welt mit eigenen Augen zu sehen, sondern um ein zweites Mal nach Hause zu kommen, ans andere Ende der Welt. Und plötzlich stehen wir alle in Klemzig. Damit hatte natürlich keiner gerechnet. Wie groß die Freude war, könnt ihr euch denken. Und das alles verdanken wir Kavel und Hahn, die gar nicht wussten, dass es Adelaide gibt, dafür aber Aussicht auf Rettung, und hätten sie uns nicht mitgenommen, säßen wir heute noch Gott weiß nicht wo.«
    Hoppes Ausführungen über Klemzig sind, wie so oft, wenn sie sich aufs Historische verlegt (vgl. hierzu
Verbrecher und Versager,
2004 ), verrätselt und sprunghaft, um nicht zu sagen, beliebig, als historische Auskunft jedenfalls, auch unter dem Vorbehalt literarischer Verwertung und Formung, kaum zu gebrauchen. Geschichte, wie bereits oben gezeigt, führt nicht erst bei der erwachsenen Hoppe ein seltsames Eigenleben, das nicht selten »an eine Art autistischen Eigensinns grenzt«. (Kai Rost)
    (Den Hintergrund für ihre bereits 1976 verfasste Geschichte
Wiedersehen in Klemzig
, die sie später zu einem Libretto für ihre erste Oper (
Tuning Klemzig
, die Oper kam niemals zur Aufführung) umschrieb, bilden verschiedene für Klemzig (Klępsk) bedeutsame Auswanderergruppen: die erste eine Gruppe von Altlutheranern, die, um religiöser Verfolgung durch Friedrich Wilhelm III . von Preußen zu entgehen (nachdem Auswanderungspläne ans Schwarzmeer scheitern) unter der Führung von Pastor Ludwig August Christian Kavel ihre Heimat in Brandenburg, Posen und Schlesien verlassen, um 1836 ein Schiff von Hamburg nach Adelaide zu besteigen, nachdem Kavel einen gewissen George Fife Angus (Chairman der
South Australian Company
) von der Qualität und deutschen Verlässlichkeit der Einwanderer überzeugen kann. Kavel folgt wenig später in selber Mission der von Hoppe erwähnte Kapitän Hahn (Dirk Meinhertz Hahn aus Westerland/Sylt), nach dem das heutige australische Hahndorf benannt ist, ein nicht zuletzt wegen des dort alljährlich begeistert gefeierten deutschen Schützenfestes Mitte Januar beliebter touristischer Ausflugsort in der Nähe des heutigen Adelaide. Ein gutes Jahrhundert später folgen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg weitere deutsche Einwanderer auf der Flucht vor dem Vormarsch der Roten Armee und unter dem Druck zwangsumgesiedelter Polen, von denen nachweislich nur ein Teil in Australien landete, andere wanderten nach Amerika und Kanada (sic!/fh) aus.
    Die historischen Details interessierten Hoppe wie immer weit weniger als das Drama an sich. »Recherche«, schreibt sie noch 2008 in einem Essay
(Beim Schreiben zu meiden)
, »ist doch bloß eine faule Ausrede für alles, was man sich selbst nicht vorstellen kann.« Das ist so vermessen wie wahr und hatte natürlich Folgen für die Rezeption ihrer Texte, eine Tatsache, die sie eher zu genießen als zu bedauern schien und die sie gelegentlich arrogant vor sich hertrug wie an jenem bereits erwähnten Abend in Chicago, den sie zusammen mit Jerome Keith Chester bestritt: »Verständigung – ein schönes Wort, ein süßes Versprechen, eine Rechnung, die sowieso niemals aufgeht. Wer kommunizieren will, geht ins Netz, liest Zeitung (Hoppe liest nachweislich bis heute keine Zeitungen!/fh), wer verstehen will (›understand‹), hält sich an Literatur, und wer begreifen will (›grasp‹), was niemand versteht und was sich nicht kommunizieren lässt, muss wohl oder übel ein Schiff besteigen, um die Welt mit eigenen Augen zu sehen.«
     
    Diese für die späte Hoppe so typischen polemischen Selbstverteidigungsstrategien haben selbstverständlich so gut wie gar nichts mit jener unbedarften Vierzehnjährigen zu tun, die in den späten siebziger Jahren in einer australischen Schuluniform in Klemzig/Port Adelaide zur Schule geht und plötzlich mit einem irritierenden Enthusiasmus alles tut, um sich endlich heimisch zu fühlen. Ihre Begeisterung für Klemzig wird im Lauf der Erzählung zu einem kuriosen historischen Erinnerungstableau, das an Absonderlichkeit nur durch ihr späteres Libretto übertroffen wird, in dem sie

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