Hoppe
zwar selten überzeugende, gelegentlich aber überraschende Früchte tragen sollte, was ihre Zusammenarbeit mit Musikern betraf. Wir kommen weiter unten darauf zurück.)
Tatsache ist, dass Felicitas theoretische Spielanleitungen zuwider waren, die sie genauso wenig mochte wie Denksportaufgaben, »die«, schrieb sie in einem späteren poetologischen Aufsatz (
Just DO it!
/
Reines Tun
, 2005 ), nichts sind als »die trivialste Form von Gedankenspielen, Gottesbeweise ohne Gott sozusagen, die um nichts anderes als um sich selber kreisen und nicht das Geringste damit zu tun haben, was Gott oder Sport oder Kunst wirklich ausmacht. Oder hat man jemals von einem gehört, der wirklich weitergekommen wäre, weil er sich an die Regeln hielt? Was durchaus nicht gegen die Regeln spricht, die man natürlich kennen muss, um mit ihnen zu spielen. Aber was in der Regel steckenbleibt, wird niemals den Raum für Neues öffnen, der sich erst öffnet, wenn sich ein Spieler plötzlich entschließt, sagen wir mal den Unterarmwurf kurzfristig durch einen Oberarmwurf zu ersetzen, aus dem später ein Rundwurf wird. Wäre dem nicht so, so würden ja, bis zum heutigen Tag, nur Bauern und Schafhirten Cricket spielen!« (Hier bezieht Hoppe sich auf die früheste vermutete Form des Cricketspiels (Creag) aus dem 13 . Jahrhundert./fh)
»So wie jeder, der schreibt«, setzt sie (wie immer höchst apodiktisch) hinzu, »für immer und ewig scheitern wird, sofern er nicht in der Lage ist zu begreifen, dass der Verbrecher manchmal auch durch den Haupteingang kommt und nicht immer bloß durch die Hintertür oder über den Balkon oder durchs Kellerfenster, nur weil der Zuschauer sich das so vorstellt. Sklaven sind ebenso schlechte Künstler wie Ungläubige. Nur wer den Zusammenhang begreift, begreift die Ausnahmen von der Regel und dass ein Blinder womöglich besser spielt als der, der tatsächlich glaubt, alles zu sehen, und nicht begreift, dass nicht das Spiel den Spieler bestimmt, sondern der Spieler das Spiel.«
Die wie meistens bei Hoppe übertriebene und unscharfe Polemik speist sich einerseits aus der simplen Tatsache, dass Hoppe sich 2004 (vermutlich aus Gründen der Geldnot) zum Verfassen eines (äußerst schwachen) Drehbuches hatte hinreißen lassen
(Der Mann, der nicht durch den Keller kam)
, liest sich allerdings vor dem Hintergrund ihrer australischen Cricketsozialisation neu. Die Erfahrungen, die Felicitas mit Joey beim Blindencricket machte, blieben prägend und haben ihre spätere Arbeit nachhaltig beeinflusst. Vor allem schärften sie ihr soziales Empfinden und verwandelten es, auf eine für sie typische Weise, in eine neue ästhetische Wahrnehmung von jenem Spiel, das bestimmt, wer es spielt.
Denn obwohl Felicitas, erst Jahre nachdem sie nach Europa zurückgekehrt war, einen kleinen Text mit dem Titel
Cricketing Fate (Zwei Runden Cricket gegen das Schicksal)
verfasste, darf kaum behauptet werden, sie habe das Cricketspiel in ihrer literarischen Arbeit jemals ernsthaft verarbeitet. Nur intimen Kennern ihrer Biographie werden sich die wenigen und nicht immer leicht zu entschlüsselnden Details erschließen, die, genau wie jene über das Eishockeyspiel, bis zum Verschwinden sparsam in ihr Werk eingestreut sind.
Vorerst aber ist sie gerade siebzehn geworden, nach wie vor verliebt und weit davon entfernt, sich anhand ambitionierter Ausführungen Rechenschaft über ihr Tun und Treiben zu geben. Stattdessen schreibt sie in einem ihrer letzten Briefe an ihre Hamelner Geschwister: »Ja, tatsächlich, ich fühle mich wohl. Jedenfalls solange ich im Stadion bin und Joey mich sieht, der mich niemals sieht, und Quentin mich nicht sieht, der mich immer sieht, und Virginia mich sieht, ohne mich jemals zu sehen. Nur Wicket sieht alles, weshalb er im Haushalt der Einzige ist, vor dem ich mich manchmal fürchte. (Erinnern wir uns daran, dass Felicitas kein rechtes Verhältnis zu Haustieren hatte.)
Aber wir haben längst unseren Pakt geschlossen, weil Wicket nicht spricht, sondern bellt oder heult, meistens aber nur hechelt, weil es ihm genau wie mir hier unten einfach zu heiß ist. Also lehne ich mich einfach zurück und schließe die Augen, um mich, was Wicket wenig gefällt und Virginia schon gar nicht, an William Light zu erinnern, an jenen Nachmittag am Montefiore Hill, an jenes vierzehnjährige Mädchen, das, unpassend für die Jahreszeit, einen karierten Overall und einen Rucksack trägt und, die linke Hand wie einen Schirm über den Augen,
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