Hornblower 04 - Hornblower wird Kommandant
solchen Versuch am besten entgegentrat. Seine Unruhe steigerte sich von Tag zu Tag, je höher sich die Stapel der Silbersäcke türmten, sie wurde gar noch zehnmal schlimmer, als der große Augenblick gekommen war, da McCullums Taucher die erste Kiste Gold zutage förderten.
McCullum verstand sich auf sein Geschäft, darüber gab es keinen Zweifel. Eines Tages berichtete er Hornblower, daß man auf eine der Goldkisten gestoßen sei. Am nächsten Morgen sah sich Hornblower mit an, wie Barkaß und Kutter wiederum zur Bergungsstelle fuhren. Diesmal waren am Spiegel der beiden Boote massive Krane errichtet, an denen kräftige Taljen hingen.
Viele hundert Meter Tauwerk lagen aufgeschossen in den Booten, dazu Pützen, Bretter, Bohlen und alles erdenkliche andere Gerät, das einem erfinderischen Kopf für diese neue Aufgabe dienlich scheinen mochte. Hornblower beobachtete die beiden Boote durch das Glas, als sie nebeneinander über dem Wrack lagen. Er sah, wie die Taucher ein um das andere Mal in die Tiefe gingen und wieder hoch kamen; er sah, wie die mit Gewichten beschwerten Taljen weggefiert wurden. Mehr als einmal begannen die Bootsgäste an den Taljenläufern zu holen, dann hielten sie wieder inne, während wieder ein Taucher auf den Grund ging, der wahrscheinlich die Talje klarieren sollte.
Danach begannen die Leute von neuem zu holen, und diesmal blieben sie endlich dabei, sie holten weg und schossen auf, bis am Ende zwischen den beiden Booten ein mächtiges Etwas an die Oberfläche kam und allgemeines Jubelgeschrei bis zum Schiff herüberdrang.
Das ungefüge Ding wurde jetzt mit großer Vorsicht über das Heck der Barkaß geschwungen und eingefiert. Hornblower konnte deutlich sehen, wie das Boot achtern tiefer sank und mit dem Vorschiff hochkam, als es die ganze Last allein zu tragen hatte. Er hatte sich bereits ausgerechnet, daß ein Kubikfuß Gold eine halbe Tonne wog - jede Unze davon besaß einen Wert von zwölf Papierguineen und mehr. Das Ganze ergab also ein wahrhaft fürstliches Vermögen. Als die Barkaß längsseit gepullt kam, sah Hornblower die seltsame Kiste halb unter Tang und Kraut versteckt auf ihren Bodenbrettern stehen.
»Sie muß mit schmiedeeisernen Bändern beschlagen sein«, sagte McCullum, der an seine Seite getreten war, während Jones aufgeregt das Anbordnehmen leitete. »Wahrscheinlich hat man sogar bestes Sussexeisen dazu verwandt. Stahl hätte der Rost schon längst so zerfressen, daß nichts mehr davon übrig wäre, aber diese Bänder sind zum Teil überhaupt noch nicht angegriffen. Das Kraut, mit dem das Eichenholz bewachsen ist, muß meterlang gewesen sein, meine Jungen mußten es erst kappen, damit sie die Stroppen umlegen konnten.«
»Langsam holen da! Langsam!« rief Jones.
»Rahtakel fest hieven!« befahl der Bootsmann. »Stagtakel steifholen! Längsdeck damit: eins - zwei - eins - zwei!«
In ihren Stroppen hängend, schwebte die Kiste über die Reling binnenbords.
»Fest! Fier weg das Rahtakel! Fier weg das Stagtakel!
Langsam fieren!« Die Kiste senkte sich auf das Deck, aus ihrem Inneren triefte immer noch in dünnen Rinnsalen das Wasser. Mit dem Gold, das sie barg, hätte man die ganze Atropos bauen, bewaffnen und ausrüsten können; es hätte gereicht, ihre Laderäume mit Vorräten für ein ganzes Jahr zu füllen und ihrer Besatzung einen Monat Vorschuß zu zahlen - und dann wäre immer noch ein schöner Batzen Geld übriggeblieben.
»Das wäre die erste«, sagte McCullum. »Ich habe das Gefühl, daß es nicht so einfach sein wird, die beiden anderen herauszubekommen. Bis jetzt war es ein Kinderspiel, die einfachste Aufgabe, die ich je zu lösen hatte. Aber wir haben auch unverschämtes Glück gehabt. Da Ihnen die Erfahrung fehlt, werden Sie nie begreifen, wieviel Glück dabei im Spiel war.«
Hornblower wußte dennoch sehr wohl, daß ihm das Glück hold gewesen war. Es war ein Glücksfall, daß McCullum den Pistolenschuß zwischen seine Rippen heil überstanden hatte, ein zweiter, daß die Ceylonesen gesund und frisch von Indien bis hierher nach Kleinasien gelangt waren, und der dritte, kaum faßbare, daß die Türken so friedlich blieben und ihm erlaubten, seine Bergungsarbeit hier in der Bucht durchzuführen, ohne sich darum zu kümmern, was er trieb, und ohne ihm dabei Schwierigkeiten zu machen. Wenn er sich über alle diese Glücksumstände Rechenschaft gab, dann söhnte ihn das sogar mit der Sorge aus, die ihm die Bewachung seines Schatzes im unteren Lazarett
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