Hornblower 05 - Der Kapitän
donnerte Hornblower außer sich. Das Bewußtsein der Schwierigkeit der Lage erbitterte ihn noch mehr als der Verstoß gegen die Manneszucht. »Mr. Galbraith!«
Galbraith pflegte langsam zu denken und langsam zu sprechen.
»Ich weiß gar nicht, wie es anfing, Sir.« Obwohl er seit seiner Kindheit zur See fuhr, war seiner Stimme noch immer ein wenig der schottische Tonfall anzumerken. »Ein Teil unserer Leute kam laufend zum Strande zurück. Sie trugen den verwundeten Smith zwischen sich.«
»Jetzt ist er tot«, warf jemand ein.
»Ruhe!« brüllte Hornblower abermals.
»Ich sah, daß uns die Menge angreifen wollte, und daher ließ ich die Seesoldaten feuern, Sir«, berichtete Galbraith weiter.
»Darüber werde ich noch mit Ihnen sprechen«, sagte Hornblower kurz. »Nun zu Ihnen, Jenkins und Poole. Was hatten Sie da droben zu schaffen?«
»Also, Sir, das war nämlich so...«, fing Jenkins an. Er war jetzt blöde und niedergeschlagen. Hornblower hatte ihm dadurch allen Mut genommen, daß er ihn öffentlich der Nichtbeachtung gegebener Befehle beschuldigte.
»Sie wußten, daß es jedermann verboten ist, den Bach zu überschreiten?«
»Jawohl, Sir.«
»Na, morgen früh werde ich Ihnen zeigen, was Befehle sind.
Und Ihnen gleichfalls, Poole. Wo ist der Sergeant der Seesoldaten?«
»Hier, Sir.«
»Sie sind ja ein feiner Wachthabender, Sergeant; lassen die Leute gehen, wohin sie wollen. Was taten denn Ihre Posten?«
Der Unteroffizier vermochte nichts zu antworten. Angesichts seines offensichtlichen Vergehens konnte er nur in strammer dienstlicher Haltung dastehen.
»Mr. Simmonds wird Ihnen das Nötige sagen«, fuhr der Kommandant fort. »Ich glaube nicht, daß Sie Ihre Ärmeltressen noch lange tragen werden.«
Funkelnden Auges ließ Hornblower den Blick über die Landungsabteilung schweifen. Sein zorniger Verweis hatte die Leute eingeschüchtert, und er fühlte seinen Ärger schwinden, als ihm klar wurde, daß er dies erreicht hatte, ohne die Gebräuche mittelamerikanischer Justiz beschönigen zu müssen. Jetzt wandte er sich Hernandez zu, der in vollem Galopp heranjagte und seinen kleinen Gaul derartig scharf durchparierte, daß er sich inmitten einer Wolke aufgewirbelten Sandes fast auf die Hacken setzte.
»Hat el Supremo diesen Überfall auf meine Leute angeordnet?« schrie Hornblower den Reiter heftig an.
»Nein, Herr Kapitän«, versicherte Hernandez, und zu seiner Genugtuung bemerkte der Kapitän, wie er bei der Erwähnung des Gebieters zusammenzuckte.
Hornblower ging einen Schritt weiter: »Ich glaube, er wird mit Ihnen nicht einverstanden sein, wenn ich ihn von dem hier in Kenntnis setze.«
»Ihre Leute versuchten einen zum Tode Verurteilten zu befreien«, gab Hernandez halb feindselig, halb schuldbewußt zur Antwort. Offenbar war er sich der Überlegenheit seiner Stellung nicht sicher; ängstlich mochte er sich fragen, was Alvarado zu dem Zwischenfall sagen würde. Hornblower behielt seinen scharfen Ton bei, als er weitersprach. Soviel er wußte, vermochte keiner seiner Seeleute spanisch zu sprechen, aber da nun die Mannszucht wieder gefestigt worden war, legte er Wert darauf, daß die Mannschaft sein rückhaltloses Eintreten für ihre Belange erkannte.
»Dadurch sind Ihre Leute noch nicht berechtigt, die meinigen umzubringen.«
»Sie sind zornig«, suchte Hernandez zu erklären. »Das ganze Land wurde durchgekämmt, um Lebensmittel für Sie aufzutreiben. Der Mann, den Ihre Matrosen befreien wollten, wurde deswegen verurteilt, weil er versuchte, seine Schweine in den Wald zu treiben, um sie auf diese Weise dem Zugriff zu entziehen.«
Die letzten Worte klangen vorwurfsvoll mit einem Stich ins Zornige. Hornblower war zum Entgegenkommen bereit, sofern er da durch nicht seine Mannschaft erbitterte. Er gedachte den Handlanger el Supremos beiseite zu führen und dann einzulenken, aber ehe er seinen Vorsatz ausführen konnte, wurde seine Aufmerksamkeit auf einen am Strande dahergaloppierenden Reiter gelenkt, der den breiten Strohhut schwenkte. Aller Augen richteten sich auf den Neuankömmling, einen Peon vom gewöhnlichen indianischen Typ. Atemlos stieß er seine Meldung hervor. »Ein Schiff - ein Schiff kommt!«
Die Erregung ließ ihn in seine eigene Mundart verfallen, so daß Hornblower die weiteren Erklärungen nicht verstand.
Hernandez mußte sie verdolmetschen.
»Dieser Mann hat von dem Berggipfel da drüben Ausschau gehalten«, sagte er. »Er behauptet, von dort aus die Segel eines Schiffes
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