Hornblower 06 - An Spaniens Küsten
oft der Fall war, blieb einem nichts anderes übrig, als abzuwarten. Zwei abgeblendete Laternen pendelten langsam über dem Hauptdeck, wo die Wache bei den Geschützen lag. Der vorläufig noch frische Wind harfte in der Takelage, indessen das Schiff leicht über die mitlaufenden Seen glitt. Warten. Hornblower sagte sich, daß er, falls er an Deck blieb, höchstens seine Nervosität verraten würde, und daß es daher ratsamer war, sich wieder in die Kajüte zurückzuziehen.
»Bitte, verständigen Sie mich sofort, wenn der Feind gesichtet wird«, sagte er möglichst gelassen, worauf er sich unter Deck begab.
Wach lag er auf der Koje und ließ die Gedanken wandern, denn er war fest davon überzeugt, ein zweites Mal ganz bestimmt nicht einschlafen zu können. Er erschrak daher, als er - seiner Meinung nach kaum zwei Minuten später - die Stimme Polwheals vernahm.
»Mr. Gerard läßt melden, daß es anfängt, hell zu werden, Sir.«
Es fiel ihm gar nicht leicht, sich von der Koje zu erheben. Erst als er verschlafen auf den Füßen stand, empfand er Befriedigung darüber, daß Polwheal ihn beide Male hatte wecken müssen.
Sicherlich hatte Polwheal seinen Freunden von den eisernen Nerven des Kommandanten erzählt, der wie ein Kind in der Wiege schlafen konnte, während das ganze Schiff in Erwartung eines bevorstehenden Gefechts fieberte.
»Was Besonderes, Mr. Gerard?« fragte Hornblower, als er das Achterdeck betrat.
»Nein, Sir. Bald nach Mitternacht mußte ich die Marssegel reffen lassen, aber jetzt flaut es schnell ab, und der Wind dreht auf Südost.«
»Hm...«
Der düstere Himmel begann, eine kaum merkliche graue Tönung einzunehmen, aber noch reichte die Sicht kaum zweihundert Meter weit. Ein südöstlicher Wind mußte für die Barcelona ansteuernden Franzosen ungünstig sein, und ganz bestimmt war er es für die Pluto und für die Caligula.
»Ich glaubte Land zu spüren, Sir, ehe es dämmerte«, sagte Gerard.
»Ja«, nickte Hornblower. Der während der Nacht gesteuerte Kurs würde sie dicht unter Kap Creus unseligen Angedenkens bringen. Hornblower nahm die neben dem Nachtkompaß hängende Schiefertafel zur Hand, überflog die stündlichen Eintragungen und vermutete danach, daß man sich dem Kap bereits bis auf fünfzehn Meilen genähert hatte. Wenn die Franzosen während der Nacht ihren Kurs beibehalten hatten, würden sie bald die Rosas-Bucht erreichen, in der sie nach Lee zu einigermaßen gesichert waren. Hatten sie es nicht getan, waren sie der Sutherland in der Dunkelheit entschlüpft, so würde das Folgen zeitigen, an die Hornblower gar nicht zu denken wagte.
Schnell wurde es heller. Im Osten begannen sich die Wolken dicht über dem Horizont zu lockern. Sekundenlang zerteilten sie sich. Ein goldglänzender Fleck wurde dort sichtbar, wo die mit weißen Schaumköpfen bedeckte See den Himmel zu berühren schien, und dann schoß ein waagerechter Sonnenstrahl über das Meer.
»Land an Steuerbord voraus!« rief der Posten Ausguck aus dem Vortopp. Im Westen zog sich ein bläulicher Streifen über den Horizont. Es waren die Berge Spaniens.
Besorgt sah Gerard zu seinem Kommandanten hinüber. Er ging ein paar Schritte auf und nieder, kaute an den Fingerknöcheln und vermochte seine Ungeduld schließlich nicht mehr zu meistern. »Ausguck! Was ist vom Feinde zu sehen?«
Die Pause, die dieser Frage folgte, schien kein Ende zu nehmen.
»Nichts, Sir. Abgesehen vom Land in Luv ist nichts in Sicht.«
Abermals blickte Gerard ängstlich zum Kommandanten hinüber; aber inzwischen hatte sich Hornblowers Gesicht zu einer undurchdringlichen Maske verwandelt. Bush erschien auf der Kampanje. Deutlich war ihm die fieberhafte Erregung anzumerken. Wenn vier französische Linienschiffe einem Kampf ausgewichen waren, so bedeutete das für Hornblower Halbsold bis an sein Lebensende, wenn nichts Schlimmeres, aber Hornblowers Gesichtsausdruck blieb steinern. Er war stolz darauf, daß er es fertigbrachte.
»Lassen Sie wenden, Mr. Gerard, und legen Sie das Schiff über Backbordbug.«
Möglicherweise hatten die Franzosen während der Nacht ihren Kurs geändert und trieben sich nun irgendwo im westlichen Mittelmeerbecken umher, aber noch immer hielt Hornblower das nicht für wahrscheinlich. Seine Offiziere berücksichtigten zu wenig die mangelhafte seemännische Ausbildung der Franzosen. Wenn sich Gerard genötigt gesehen hatte, die Marssegel zu reffen, so waren die französischen Schiffe höchstwahrscheinlich gezwungen gewesen,
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