Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
Verband wieder angelegt habe.
Machen Sie, daß Sie rauskommen«, rief der Wundarzt grob.
»Ich werde mit dem Obersten sprechen«, erklärte Hornblower. Er schob den Sergeanten kurzerhand beiseite und eilte durch den Gang auf den Hof hinaus, auf dem die Kutsche stand. Gerade wurden die Pferde geschirrt, und drüben auf der anderen Seite waren einige Gendarmen mit dem Satteln beschäftigt. Der Zufall wollte es, daß der Oberst Caillard gerade in diesem Augenblick über den Hof schritt. Er trug seine rote und blaue Uniform und die hohen glänzenden Reitstiefel. Das Kreuz der Ehrenlegion hing an seiner Brust. »Herr«, redete Hornblower ihn an. »Was ist denn nun wieder los?« fragte Caillard. »Kapitänleutnant ist transportunfähig. Er wurde sehr schwer verwundet, und nun naht die Krise.«
Mühsam kam das holprige Französisch über Hornblowers Lippen. »Ich kann nicht meinen Befehlen zuwiderhandeln«, erklärte Caillard. Seine Augen blickten kalt und entschlossen.
»Sie haben aber nicht den Befehl erhalten, ihn zu töten«, widersprach Hornblower.
»Ich habe Sie und ihn mit größter Beschleunigung nach Paris zu schaffen. Wir werden in fünf Minuten aufbrechen.«
»Aber, Herr... können Sie denn nicht wenigstens heute noch warten?«
»Selbst als Pirat sollten Sie doch wissen, daß man Befehle auszuführen hat«, sagte der Franzose schneidend.
»Dann erhebe ich gegen diese Befehle im Namen der Menschlichkeit Einspruch!«
Es war das eine melodramatische Sprechweise, aber sie entsprach der Szene, und Hornblower beherrschte die Landessprache zuwenig, um seine Worte wählen zu können.
Hinter ihm standen nicht nur die beiden Mägde, sondern auch eine dicke Frau und der Wirt selbst.
Sie alle lauschten der Auseinandersetzung, und höchst missbilligende Blicke trafen den Gendarmerieobersten, doch zogen sie sich schleunigst in die Küche zurück, als Caillard sie furchterregend anstarrte. Hornblower aber erkannte zum erstenmal persönlich, wie unbeliebt das harte Regiment des Korsen bereits in Frankreich geworden war.
»Sergeant«, sagte Caillard schroff, »bringen Sie die Gefangenen in den Wagen.«
Widerstand zu leisten wäre aussichtslos gewesen. Die Gendarmen trugen Bushs Bahre in den Hof und schoben sie wieder auf die Sitze, während Hornblower und Brown mithalfen, um unnötige Stöße zu vermeiden. Indessen kritzelte der Wundarzt am Fuß der Notizen, die Hornblower aus Rosas mitgebracht hatte, eilends einige Zeilen nieder. Eine der Mägde klapperte mit einem dampfenden Tablett herbei, das sie durch das offene Fenster zu Hornblower hinaufreichte. Eine Platte mit Brot stand darauf nebst drei Schalen einer schwärzlichen Flüssigkeit, die Hornblower später als Kaffee erkannte; als das, was man in dem blockierten Frankreich Kaffee zu nennen pflegte. Es schmeckte nicht besser als der Aufguss von verbrannten Brotrinden, den er zuweilen auf langen Fahrten und nach der Erschöpfung der eigenen Vorräte als Kaffee vorgesetzt bekam. Immerhin war das Getränk heiß und daher zu so früher Morgenstunde belebend.
»Wir haben keinen Zucker«, entschuldigte sich die Magd.
»Oh, das macht nichts«, lächelte Hornblower schlürfend.
»Sehr traurig, daß der arme verwundete Offizier reisen muss«, fuhr die Französin fort. »Diese Kriege sind furchtbar.«
Sie hatte eine Stupsnase, einen breiten Mund und große schwarze Augen. Niemand würde sie hübsch genannt haben, aber der teilnahmsvolle Klang ihrer Stimme tat dem Mann wohl, der ein Gefangener war. Brown schob seinem Ersten Offizier Kissen unter den Rücken und hielt ihm die Kaffeeschale an die Lippen. Bush trank ein wenig und wandte den Kopf zur Seite.
Die Kutsche schwankte, als zwei der Begleiter auf den Bock kletterten.
»Weg da!« brüllte der Sergeant.
Der Wagen ruckte an und rollte zum Tor hinaus. Laut klapperten die Hufe auf dem Pflaster. In Hornblowers Gedächtnis blieb der etwas verblüffte Gesichtsausdruck der Magd, die im letzten Augenblick erkannte, daß sie das Frühstückstablett endgültig verloren hatte.
Dem heftigen Stossen der Kutsche nach zu urteilen, war die Strasse sehr schlecht. Einmal hörte Hornblower, wie Bush scharf den Atem zog. Er entsann sich des Aussehens jenes geschwollenen und entzündeten Beinstumpfs. Jede starke Bewegung musste ihm Höllenquälen verursachen. Vorsichtig ergriff er die Hand des Gefährten. »Beunruhigen Sie sich nicht, Sir«, sagte Bush. »Ich fühle mich ganz wohl.«
Aber noch während er sprach, fühlte
Weitere Kostenlose Bücher