Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Titel: Hornblower 07 - Unter wehender Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
mehrere Sekunden lang sah er überhaupt nichts. Der Nebel, der vor seinen Augen lag, war viel dichter als jener, den auch die anderen wahrnahmen.
    Beide aber vergingen, als die Sonne durchbrach und warm auf Hornblowers Rücken schien. Hoch droben auf dem jenseitigen Ufer erstreckte sich der Obstgarten, den Hornblower so oft von seinem Fenster aus betrachtet hatte. Sich umdrehend, sah er das vom Sonnenlicht überflutete Chateau. Die Ecktürmchen waren, wie er wusste, vor kaum einem halben Jahrhundert von einem Comte de Gracey angefügt worden, der einen Rokokogeschmack für das Mittelalter hatte. Jetzt in der Entfernung aber sahen sie doch recht wirkungsvoll aus. In der perlweißen Beleuchtung hätte man glauben können, ein Märchenschloss vor Augen zu haben. Und auch die Monate, die er dort erlebt hatte, kamen Hornblower bereits traumhaft vor, aber er bedauerte doch, daß er nun aus diesem Traum erwachte.
    »Mr. Bush«, sagte er plötzlich scharf, »bitte haben Sie die Güte, die Angel auszuwerfen und so zu tun, als wären Sie Amateurfischer.«
    Weiter trieben sie den stolzen Fluss hinunter, der in der Ferne blau schimmerte, in der Nähe aber grünlich und glasklar war.
    Schon nach wenigen Minuten erreichten sie die Einmündungsstelle des Alliers, der in seiner Größe der Loire beinahe gleichkam. Der nunmehr vereinigte Strom war mächtig breit. Der Abstand von Ufer zu Ufer betrug mindestens dreihundert Meter, so daß sie eine gute Büchsenschussweite vom Land entfernt blieben. In Wirklichkeit wurde ihre Sicherheit noch dadurch erhöht, daß sich beiderseits ein breiter Streifen sandigen, nur von Weidengestrüpp bestandenen Niemandslandes erstreckte, das der alljährlichen Überschwemmungen wegen unbesiedelt blieb und nur gelegentlich von Fischern oder von waschenden Hausfrauen betreten wurde.
    Der Nebel hatte sich jetzt völlig aufgelöst, und die heiße Sonne versprach einen jener strahlenden Frühlingstage, wie man sie besonders in Mittelfrankreich erleben kann. Hornblower rückte sich auf der Achterducht zurecht. Die Rangordnung seines neuesten Kommandos war sozusagen etwas topplastig, denn das Verhältnis von einem Seemann zu einem Kapitänleutnant und einem Kapitän zur See konnte man nur als lächerlich bezeichnen. Es bedurfte eines guten Teiles Takt, um alle zufriedenzustellen; dafür zu sorgen, daß Brown, der die ganze Arbeit zu leisten hatte, nicht mürrisch wurde und daß andererseits die Disziplin nicht durch eine demokratische Arbeitsteilung zu Schaden kam. In einem keine fünf Meter langen Boot die einem Kommandanten zukommende Würde zu bewahren, schien nicht so ganz leicht zu sein.
    »Brown«, sagte er, »ich bin mit Ihnen bisher sehr zufrieden gewesen. Sorgen Sie dafür, daß dieser gute Eindruck auch weiter bei mir anhält, dann werde ich daran denken, daß Ihnen in England die verdiente Belohnung zuteil wird. Sie können die Stellung eines Steuermannsmaaten bekommen, wenn Sie wollen.«
    »Danke, Sir; danke vielmals, aber wenn Sie gestatten, ich fühle mich so ganz wohl, Sir.«
    Er wollte damit ausdrücken, daß er mit seiner Stellung als Bootsmann durchaus zufrieden war, aber seine Stimme verriet mehr. Hornblower beobachtete ihn, wie er, das Gesicht der Sonne zugewendet, langsam durchzog. Ein seliges Lächeln lag auf seinen Zügen; der Mann war restlos glücklich. Seit Monaten war er gut untergebracht und gut verpflegt worden. Dabei hatte er reichlich viel weiblichen Umgang, wenige und leichte Arbeit gehabt und keine Entbehrungen erdulden müssen. Selbst jetzt hegte er die begründete Erwartung, daß er noch lange besser essen würde, als er es jemals vor dem Betreten französischen Bodens getan hatte, und jedenfalls würde es niemandem einfallen, ihn in einer heulenden Nacht an Deck zu jagen, um ein Marssegel zu reffen. Hornblower sagte sich, daß ein zwanzigjähriger, in untergeordneten Stellungen verbrachter Dienst in der Königlichen Marine jeden Menschen dazu bringen musste, grundsätzlich nur dem Augenblick zu leben. Fast wäre Hornblower ein wenig eifersüchtig geworden auf seinen Bootsmann, der zum Fatalisten geworden war und niemals die Qualen der Ratlosigkeit und der Zweifel durchzumachen brauchte. Das Flussbett enthielt zahllose Inseln, die sämtlich von Rändern goldgelben Kieses gesäumt wurden. Es war Hornblowers Aufgabe, die beste Fahrrinne zu erkennen, und diese Aufgabe erwies sich durchaus nicht als leicht. Untiefen erschienen auf geheimnisvolle Weise in der Mitte der Strecke,

Weitere Kostenlose Bücher