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Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Hornblower 07 - Unter wehender Flagge

Titel: Hornblower 07 - Unter wehender Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Flussmündung im großen die gleichen Erscheinungen zeigten, die für den Oberlauf des Flusses charakteristisch gewesen waren, wo sich der eigentliche Kanal zwischen den Sandbänken von Ufer zu Ufer wand. Auf Anraten des Lotsen nahm Hornblower seine stümperhafte Besatzung zusammen, da es jederzeit erforderlich werden konnte, über Stag zu gehen, doch erwies sich die Vorsichtsmassnahme als überflüssig. Dicht beim Wind laufend und vom kräftigen Ebbstrom gefördert, glitt der Kutter dem Meer zu. Hornblower und Brown standen klar bei den Schoten, und Bush am Ruder zeigte abermals, was für ein prächtiger Seemann er war.
    »Monsieur«, bettelte der Lotse, »Monsieur, diese Stricke sind sehr stramm angezogen.«
    Abermals ließ Hornblower ein furchterweckendes Lachen hören.
    »Sie werden also dazu geeignet sein, Sie wach zu halten.«
    Das Unterbewusstsein hatte ihm diese Antwort eingegeben, und der Verstand billigte sie. Man tat jedenfalls gut daran, diesem Mann gegenüber, in dessen Macht es lag, sie alle zugrunde zu richten, nicht die geringste Schwäche zu zeigen. Je fester der Lotse von der kalten Erbarmungslosigkeit Hornblowers überzeugt war, desto sicherer durfte man sich darauf verlassen, daß er sie nicht hinterging. Besser war es, daß er die Schmerzen der Fesselung erlitt, als daß drei Männer sich der Gefangennahme und dem Tode aussetzten. Plötzlich fielen Hornblower jene anderen vier Franzosen ein, die gefesselt und geknebelt drunten in der Kajüte lagen. Ihnen musste es noch schlimmer gehen, und vielleicht waren sie bereits dem Erstickungstod nahe. Nun, das ließ sich nicht ändern. Hier oben an Deck war derzeit niemand abkömmlich, der ihnen hätte helfen können. Sie mussten so lange aushalten, bis es keine Möglichkeit der Befreiung mehr für sie gab.
    Hornblower fühlte, daß sie ihm leid taten, und ärgerlich schüttelte er das Gefühl ab. Die Seekriegsgeschichte kannte unzählige Fälle, in denen die Gefangenen ein allzu schwaches Prisenkommando überwältigt hatten. Einer solchen Gefahr wollte sich Hornblower unter keinen Umständen aussetzen.
    Interessant wäre es zu beobachten gewesen, wie sein Mund ohne sein Wissen einen harten Zug bekam. Obwohl es ihm im Grunde genommen widerstrebte, nach England zurückzukehren und dort die Dinge über sich ergehen zu lassen, die seiner harrten, überwog doch der Entschluss, das einmal begonnene Unternehmen erfolgreich zu Ende zu führen. Er wollte nicht versagen, und der Verdacht, er könne womöglich einen Misserfolg deswegen herbeiwünschen, weil dadurch die Regelung seiner persönlichen Angelegenheiten einen weiteren Aufschub hätte erfahren können, machte ihn erst recht entschlossen, alles an das Gelingen seines Planes zu setzen.
    »Die Fesseln werde ich Ihnen abnehmen, wenn wir auf der Höhe von Noirmoutier sind«, sagte er zu dem Lotsen. »Nicht eher.«

14. Kapitel
    Als es zu dämmern begann, standen sie querab von Noirmoutier, gleichzeitig verebbte der letzte schwache Luftzug.
    Leichter Dunst hüllte sie ein, der darauf zu warten schien, von der kommenden Sonne aufgesogen zu werden. Als die Einzelheiten sichtbarer wurden, sah Hornblower sich um. Die Kettensträflinge schliefen auf dem Vordeck. Um warm zu werden, hatten sie sich dicht zusammengedrängt. Brown saß neben ihnen auf dem Lukendeckel und hatte das Kinn in die Hand gestützt, aber Bush stand noch immer am Ruder, und nichts deutete darauf hin, daß er eine schlaflose Nacht verbracht hatte. Die Pinne hielt er an der Hüfte, und das Holzbein stemmte er gegen einen Ringbolzen. An der Reling hing der Lotse zusammengesackt in seinen Fesseln. Sein gestern noch so rundliches und rosiges Gesicht sah heute früh eingefallen und grau aus vor Schmerz und Müdigkeit.
    Mit einem kleinen Schauder des Widerwillens schnitt Hornblower ihn los.
    »Sie sehen, daß ich mein Versprechen halte«, sagte er, aber der Franzose sank mit schmerzverzerrten Zügen vollends auf das Deck nieder, und eine Minute später stöhnte er unter der Qual des wieder beginnenden Blutumlaufs.
    Klappernd schwang der schwere Baum des Gaffelsegels binnenbords, während das Segel zu schlagen begann.
    »Ich kann den Kurs nicht halten, Sir«, meldete Bush.
    »Schön«, antwortete Hornblower.
    Er hatte dies erwarten können. Der schwache, die breite Flussmündung hinabstreichende Nachtwind hatte gleich den Eindruck gemacht, als werde er in der Frühdämmerung einschlafen und sie bekalmen. Wenn er doch wenigstens noch eine halbe Stunde

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