Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
Unteroffizier glatt über Bord schmeißen, als sie ihn sahen, Sir.«
Er grinste behäbig, wie über einen guten Witz. Die Bemerkung warf aber ein aufschlussreiches Licht auf das Dasein solcher Galeerensklaven und die Brutalität ihrer Aufseher.
»So«, meinte Hornblower. Er würgte noch einen Bissen Hartbrot herunter und spülte mit einem Schluck des mit Wasser verdünnten Weines nach. »Es wird gut sein, wenn Sie die Leute sämtlich an die Riemen stellen.«
»Aye, aye, Sir. Ich hatte schon den gleichen Gedanken, wenn Sie gestatten, Sir. Mit all den Kerlen können wir zwei Wachen einteilen.«
»Machen Sie das, wie Sie wollen«, sagte Hornblower und wandte sich wieder seinem Sechspfünder zu.
Das vorderste Boot war um ein gutes Stück näher gekommen.
Hornblower hielt es für zweckmäßig, die Rohrerhöhung ein wenig zu verringern. Diesmal schlug das Geschoss dicht beim Ziel und anscheinend fast zwischen den Riemen der einen Seite ein. »Fein, Sir!« rief Bush vom Ruder herüber.
Hornblowers Haut juckte vor Schweiß und Pulverqualm. Er zog seinen goldverzierten Rock aus, weil ihm plötzlich das hinderliche Gewicht der in den Seitentaschen steckenden Pistolen zum Bewusstsein kam. Er wollte sie Bush reichen, aber der Kapitänleutnant schüttelte nur grinsend den Kopf und deutete auf die breitmäulige Muskete, die neben ihm an Deck lag. Wenn es Schwierigkeiten mit der unzuverlässigen Mannschaft gab, war sie eine weit wirkungsvollere Waffe.
Einen Augenblick wusste Hornblower nicht, wo er mit den Dingern bleiben sollte, dann legte er sie griffbereit neben die Reling, worauf er sich wieder an das Auswischen und Laden des Geschützes machte. Auch der nächste Schuss lag gut. Offenbar hatte die kleine Verringerung der Entfernung einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Treffsicherheit ausgeübt.
Dennoch blieb das Erzielen eines Volltreffers Zufallssache, denn die Streuung der glatten Geschützrohre der damaligen Zeit war außerordentlich groß. »Mannschaft klar bei Riemen, Sir«, meldete Brown. »Sehr schön. Mr. Bush, bitte wollen Sie einen Kurs steuern, bei dem ich das Boot da unter Feuer halten kann.«
Brown war wirklich eine Säule der Kraft. Er hatte beiderseits nur die vordersten drei Riemen bemannen lassen, an denen sechs Leute arbeiteten. Die anderen hielt er als Ablösung bereit.
Sechs Riemen ließen den Kutter zwar buchstäblich nur im Schneckentempo weiterkriechen, aber eine gleichmäßige, wenn auch äußerst langsame Fortbewegungsart war besser als ein Wechsel zwischen schnellerer Fahrt und völligem Stilliegen.
Hornblower vermied es lieber, nach den Begründungen zu forschen, mit denen Brown jene vier Franzosen, die nicht zu den Sträflingen gehörten, zur Mitarbeit überredet hatte. Es genügte, daß sie da waren. Die Fußfesseln hatte man ihnen gelockert.
Brown gab den Takt zum Rudern an. Das verknotete Tauende baumelte in seiner Faust.
Der Kutter setzte seinen Weg durch das blaue Wasser fort.
Bei jedem Einrücken der Riemen klapperte die Takelage. Um die Jagd so lang wie möglich zu gestalten, hätte das Schiff seinen Verfolgern das Heck zukehren müssen, statt sich im spitzen Winkel zu ihnen zu bewegen. Hornblower war jedoch zu der Einsicht gelangt, daß man den Entfernungsverlust in Kauf nehmen musste, wenn sich dadurch die Möglichkeit ergab, einen Volltreffer zu erzielen. Er wusste, daß der Gedanke sehr kühn war, glaubte aber sein Verhalten verantworten zu können. Er beugte sich über sein Geschütz und richtete es sorgfältig.
Diesmal ging der Schuss wieder zu weit. Hornblower, der den Einschlag von der Reling aus beobachtete, fühlte, wie eine Welle der Mutlosigkeit über ihn hinzugehen drohte.
Sekundenlang dachte er daran, Bush die Bedienung des Geschützes zu überlassen, aber er widerstand solcher Versuchung. Wenn es wirklich hart auf hart ging, dann konnte er sich darauf verlassen, daß er selbst ein besserer Artillerist war als sein I. O.
»Tirez!« schrie er den Lotsen an, und mit vereinten Kräften wurde die Kanone ausgerannt. - Bisher hatten die als schwarze Gebilde über das blaue Meer kriechenden Boote nicht zu erkennen gegeben, daß sie sich von der Beschießung irgendwie einschüchtern ließen. Gleichmäßig tauchten drüben die Riemen ins Wasser, und unentwegt steuerten sie einen Kurs, durch den der Witch of Endor schließlich der Weg verlegt werden musste.
Sehr geräumige Barkassen waren es, die zusammen an die einhundertundfünfzig Mann an Bord haben mochten. Nur
Weitere Kostenlose Bücher