Hornblower 08 - Der Kommodore
wenn er unser Bundesgenosse wird.«
»Welche Aussichten haben wir denn, daß es dazu kommt?«
»Das weiß Gott allein. Hat er das Bündnis mit Schweden sicher in der Tasche, dann ist es immerhin möglich, daß er sich auf den Kampf einläßt. Das aber hängt wieder davon ab, ob sich Bernadotte die Wegnahme von Pommern gefallen läßt oder nicht.«
»Da hat Bonaparte einen Fehler gemacht«, sagte Hornblower.
»Ja, weiß Gott! Die englische Flagge wirkt auf ihn wie ein rotes Tuch auf den Stier. Man braucht sie nur zu zeigen, und schon geht er blindwütig darauf los. Die Art, wie Sie dieses Schiff - wie hieß es doch gleich? - richtig, die Blanchefleur unmittelbar vor seiner Nase vernichtet haben, mußte ihn rasend machen.
Was sich daraus ergab, sollte eigentlich hinreichen, die Schweden zum Kampf zu bestimmen, wenn sie überhaupt dazu zu bringen sind.«
»Wir wollen es hoffen«, sagte Hornblower. Er fühlte sich entschieden erleichtert.
Als er daranging, die Blanchefleur zu vernichten, da war er sich genau darüber im klaren, daß er damit ein großes Wagnis einging. Ergaben sich daraus ungünstige politische Rückwirkungen, dann lief er Gefahr, daß man ihn zur Rechenschaft zog. Nur der Enderfolg konnte sein Vorgehen rechtfertigen. Ein vorsichtigerer Mann als er hätte Zurückhaltung geübt und sich damit begnügt, das Kaperschiff unter Beobachtung zu halten. Wahrscheinlich wäre es ihm dann in der ersten nebligen Nacht entwischt, um in der britischen Schiffahrt weitere Verheerungen anzurichten - aber für die Folgen des Nebels konnte man ja schließlich niemand zur Verantwortung ziehen. Sein Vorgehen dagegen konnte Schweden zum aktiven Gegner Englands machen. Trat dieser Fall ein, dann forderte natürlich ganz England den Kopf des Offiziers, dem man die Schuld daran gab. Aber mochte kommen, was da wollte, er blieb bei seiner Überzeugung, daß sein Entschluß der einzig richtige gewesen war. Er hatte jedenfalls gezeigt, daß England die Macht hatte, zuzuschlagen, und sich durch keine Bedenken abschrecken ließ, davon Gebrauch zu machen. Es gab in der Geschichte wenig Gelegenheiten, bei denen sich ängstliche Vorsicht als die größere Weisheit erwiesen hätte.
Sie brachten überdies noch mehr Nachrichten nach St. Petersburg. Wellington war in Spanien in der Offensive begriffen, er hatte durch zwei verwegene Schläge, die Erstürmung von Ciudad Rodrigo und Badajoz, seine Front bereinigt und stand nun bereit, in das Herz der Halbinsel vorzustoßen. Das Wissen darum, daß ein großer Teil der Streitkräfte Bonapartes unten im Süden schwer zu ringen hatte, mochte den Beratungen im Norden die Kraft und Festigkeit verleihen, deren sie so nötig bedurften.
Sein Schwager war jetzt Earl, noch einen oder zwei weitere Siege, überlegte Hornblower, dann wurde er todsicher Herzog.
Barbara war natürlich sehr stolz auf ihn. Für ihn selbst, Hornblower, war das nur ein Grund mehr, sich höllisch vor jedem Versager in acht zu nehmen. Barbara hatte ja nun einen gewaltig hohen Maßstab für ihre Vergleiche, aber sie hatte sicher auch Verständnis. Sie war klug genug, zu begreifen, um welch hohen Einsatz er hier in der Ostsee spielte - war er nicht ebenso hoch wie der, um den es ihrem Bruder in Spanien ging?
Sie wußte, wieviel moralischer Mut zu den Entscheidungen gehörte, die er getroffen hatte. Deshalb konnte er jedenfalls bei ihr auf rücksichtsvolles Verständnis rechnen... Wie, durchfuhr es ihn im gleichen Augenblick, er sollte es nötig haben, das rücksichtsvolle Verständnis seiner Frau in Anspruch zu nehmen? Nein, das wollte er auf keinen Fall, das kam gar nicht in Frage! Dieser Gedanke wühlte ihn so auf, daß er nach einer kurzen Entschuldigung gegen Wychwood hinausstürzte und unter dem grauen Himmel im strömenden Regen auf dem Achterdeck auf und ab zu rennen begann. Die anderen Offiziere warfen heimliche Blicke nach ihm und hielten sich in sicherer Entfernung. Es gab ja im ganzen Geschwader keinen Menschen, der nicht wußte, daß nur ein ausgemachter Narr dem Kommodore in den Weg lief, wenn er auf seinem Achterdeck spazierenging. Hier in der nördlichen Ostsee war der kräftige Wind auch im Mai noch empfindlich kalt, unter einem bleigrauen Himmel stampfte und rollte das Geschwader durch die kurzen und steilen Wogen einer bleigrauen See. Immer weiter ging es nach Norden, nach dem Finnischen Meerbusen, nach Rußland, wo jetzt das Schicksal der Welt in der Schwebe hing. Hier, auf dem sechzigsten Grad
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