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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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lösen, das war etwas ganz anderes, als einsam zu sein und nichts zu tun zu haben. Sogar die endlosen Pariser Gesellschaften waren noch besser gewesen als dieses Dasein. Er hatte sich dabei ertappt, daß er mit Brown lange Gespräche führte, alte Erlebnisse ausgrub und Erinnerungen austauschte.
    Dabei kam bestimmt nichts Gutes heraus. Es war immer noch seine Pflicht, seine Würde zu wahren, kein starker Mann durfte sich die Schwäche gestatten, seine Sehnsucht nach Arbeit und Anteilnahme so offen zu zeigen. Und dann hatte dieser Brown so begeistert von Frankreich gesprochen, von dem Chateau de Gracay, von ihrer Flucht auf der Loire... ja, vielleicht war Brown daran schuld, daß auch Hornblowers Gedanken immer häufiger nach Gracay wanderten. Als Flüchtling war er dort mit offenen Armen aufgenommen worden, man hatte ihm ein Heim, Freundschaft und Liebe geboten. Er dachte an den Grafen - vielleicht kam es daher, daß ihn sein Gewissen nicht in Ruhe ließ, jedenfalls befaßte er sich fürs erste in seinen Gedanken viel stärker mit dem Grafen als mit Marie. Wie vollendet höflich, wie gütig, wie liebenswürdig war doch dieser Mann!
    Wahrscheinlich stand ihm der Graf jetzt, nach Bushs Tod, innerlich von allen lebenden Menschen am nächsten. Immer noch bestand zwischen ihnen jene Geistesverwandtschaft, die Hornblower vor Jahren so beglückend empfunden hatte. Unter der Oberfläche dieser Vorstellungen mochte ein wirbelnder Strom von Gedanken um Marie kreisen, aber davon wurde er nichts gewahr. Er wußte nur noch das eine: daß seine Unruhe eines Morgens schlechthin unerträglich war. Da hatte er in der Tasche nach dem freundlichen Brief des Grafen gefingert, den er einige Tage zuvor erhalten hatte. Darin hatte ihm dieser von seiner und seiner Schwiegertochter Rückkehr nach Gracay berichtet und seine Einladung wiederholt, er möge doch zu einem längeren Aufenthalt zu ihnen kommen. Da hatte er denn kurzerhand nach Brown gerufen, hatte ihm befohlen, für sie beide zu packen und die Kutsche anspannen zu lassen. Vor zwei Nächten hatten sie im Gasthaus »Zur Sirene« in Montargis geschlafen und letzte Nacht im Posthaus zu Briare. Und nun fuhren sie eine verlassene Straße immer an der Loire entlang, die wie ein grauer Ozean zu ihrer Rechten dahinfloß. Sie war zu einer endlos breiten Wasserwüste angeschwollen, einsame Weiden standen metertief in der reißenden Flut und schienen sich mit ihren Wurzeln verzweifelt in den Boden zu krallen. Der Regen peitschte unablässig auf das Dach der Kutsche herab und trommelte auf dem gespannten Leder so laut, daß man sich drinnen kaum verständlich machen konnte. Hornblower hatte Brown neben sich sitzen, der arme Postillion hatte sich den Hut so weit über die Ohren gezogen, daß er den hochgeschlagenen Kragen seines Wettermantels berührte, und ritt mit vorgeneigtem Kopf auf dem Handpferd vor ihnen. Brown saß, ganz Gentlemans Gentleman, mit gekreuzten Armen neben ihm, schweigsam und zurückhaltend, bis er angesprochen wurde, und doch stets bereit, ein höfliches Gespräch zu führen, wenn Hornblower erkennen ließ, daß er dazu Lust verspürte. Brown hatte es hervorragend verstanden, ihm diese Reise bis in die kleinsten Einzelheiten so angenehm wie möglich zu machen.
    Allerdings war es auch nicht besonders schwer, für einen in Frankreich reisenden englischen Lord zu sorgen. Jeder Posthalter, mochte er in seinem Büro noch so unverschämte Reden führen, wurde sofort höflich und unterwürfig, wenn er Hornblowers Titel hörte. Hornblower fühlte, wie Brown sich neben ihm aufrichtete und nach vorn in den Regen hinauszuspähen begann.
    »Der Bec d'Allier«, sagte Brown, diesmal ohne angesprochen zu sein. Auch Hornblower sah die Stelle, wo der graue Allier in spitzem Winkel in die graue Loire mündete - das ganze Land ringsum stand unter mittelstarkem Hochwasser. Es war schon eine merkwürdige Sache, einen Bootsteuerer zu haben, der so gewandt und mit gutem Akzent Französisch sprach wie Brown.
    Offenbar hatte er die unter der Dienerschaft in Gracay verbrachten Monate bestens ausgenutzt - Hornblower konnte sich ja so gut daran erinnern! Damals waren sie nichts gewesen als geflüchtete Kriegsgefangene, sie beide - ja, und Bush.
    Hornblower hatte jetzt das Gefühl, daß Brown aus einem unerfindlichen Grunde genauso aufgeregt und unruhig war wie er selbst. Seine eigene Sehnsucht nach Gracay war ihm verständlich, aber Brown? Was konnte es sein, das ihn dort so anzog? »Weißt du noch,

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