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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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wie wir hier vorbeikamen?« fragte Hornblower. »Gewiß, Mylord, das weiß ich noch ganz genau«, sagte Brown. Die Loire hinab hatte sie ja damals ihre denkwürdige Flucht aus Frankreich geführt, jene lange, seltsam glückhafte Reise nach Nantes, nach England, in den Ruhm.
    Gracay konnte nur noch wenige Meilen entfernt sein, Brown lehnte sich voll Erwartung vornüber. Richtig, da lag es, die grauen Türme, die von weitem aussahen wie Pfefferbüchsen, hoben sich in der regenverhangenen Ferne nur schwach gegen den grauen Himmel ab. Die Flagge, die am Flaggenstock über dem Schloß wehte, sah aus wie ein winziger, dunklerer Fleck.
    Der Graf war also zu Hause und Marie auch. Der Postillion trieb seine müden Gäule zu etwas lebhafterer Gangart an, das Schloß rückte näher und näher, der große, kaum für möglich gehaltene Augenblick stand dicht bevor. Den ganzen Weg über, von Smallbridge bis hierher, ja, seit dem Augenblick, da er den Entschluß zum Aufbruch gefaßt hatte, war ihm die Tatsache, daß er wirklich nach Gracay fuhr, immer noch wie ein Traum vorgekommen. Hornblowers Gefühle waren die eines Kindes, das den Mond begehrt, seine Sehnsucht war so groß, daß das Ziel seiner Wünsche allein dadurch in unerreichbare Ferne zu rücken schien. Und doch waren sie nun am Ziel. Die Pferde hielten am Tor, die schweren Flügel schlugen zurück und boten Einlaß, dann rollten sie weiter in den alten, vertrauten Schloßhof hinein. Da rannte schon der alte Butler Felix in den Regen heraus, um sie zu begrüßen, und drüben am Küchentrakt stand eine Gruppe von Serviermädchen mit Jeanne, der dicken Köchin. Der Wagen hielt neben der hohen Freitreppe. Auf ihrer obersten Stufe standen, durch das vorspringende Dach gegen Regen geschützt, der Graf und Marie. Es war wie eine Heimkehr. Hornblower kletterte steif und linkisch aus dem Wagen. Er verbeugte sich vor Marie und küßte ihr die Hand, dann umarmte er den Grafen und legte nach Landessitte seine Wange an die seines Freundes. Der Graf klopfte ihm auf die Schulter: »Willkommen! Willkommen!«
    Welche Freude auf Erden war mit diesem Gefühl zu vergleichen, daß man wirklich gern gesehen war, daß man mit offenen Armen und offenen Herzen aufgenommen wurde? Hier war das vertraute Wohnzimmer mit den alten vergoldeten Louis-XVI.-Möbeln. Das runzlige Gesicht des Grafen wurde vor stählender Freude ganz lebhaft, und Marie lächelte ihm zu. Da war der Mann wieder, der schon einmal ihr Herz gebrochen hatte, und sie wartete nur darauf, daß er es nun ein zweites Mal tat. Sie wußte schon jetzt, daß es dahin kommen mußte, denn sie liebte ihn. Das einzige, was Hornblower in sich aufnahm, war ihr Lächeln, das ihn begrüßte... Lächelte nicht eine Mutter so? In diesem Lächeln lag wirklich etwas von jener stolzen Traurigkeit, die aus dem Auge einer Mutter sprechen kann, wenn sie ihren Blick auf dem herangewachsenen Sohn ruhen läßt, von dem sie weiß, daß sie ihn sehr bald an das Leben verlieren wird.
    Hornblower empfing von alledem auch nur den flüchtigen Eindruck, denn seine Fähigkeit zur Beobachtung anderer Menschen wurde alsbald wie fortgespült von der steigenden Flut der eigenen Empfindungen. Am liebsten hätte er Marie an sich gerissen, hätte er ihren starken, köstlichen Leib in seinen Armen gefühlt, um alle Sorgen und Zweifel und Enttäuschungen in einer einzigen, trunkenen Umarmung zu vergessen. Hatte er nicht auch vor vier Jahren in recht selbstsüchtiger Weise bei ihr Vergessen gefunden?
    »Das war eine schönere Ankunft für Sie als das letzte Mal, Mylord«, sagte der Graf.
    Ja, das letzte Mal, da hatte er den verwundeten Bush bei sich gehabt, da hatte er sich, gejagt von den Gendarmen Bonapartes, verstecken müssen wie ein gehetztes Wild.
    »Ja, das kann man wohl sagen«, sagte Hornblower. Dann wurde er nachträglich inne, wie förmlich ihn der Graf angeredet hatte. »Muß ich denn unbedingt Mylord für Sie sein, Sir? Ich dächte doch...« Sie lächelten alle drei.
    »Dann will ich 'Oratio zu Ihnen sagen, wenn Sie es mir gestatten«, sagte der Graf. »Ich bin mir der hohen Ehre wohl bewußt, die das Recht zu solcher Vertraulichkeit für mich bedeutet.« Hornblower wandte sich Marie zu. »'Oratio«, sagte sie, »'Oratio.«
    Genauso hatte sie es mit ihrer leisen, umschlagenden Stimme auch damals zu ihm gesagt, wenn sie allein zusammen waren.
    Das eine kleine Wort, er brauchte es nur wieder zu hören, und schon überströmte ihn die alte Leidenschaft wie ein

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