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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Blick auf den toten Paul Marie. Hornblower bemerkte, wie einige unschlüssig zögerten, und verhielt seinen Schritt, um sich in ihrer Nähe zu halten. Er trug Pistolen in seinem Gürtelriemen.
    Jeder Deserteur bedeutete bei ihrer geringen Anzahl eine schwere Einbuße, außerdem verriet er dem Gegner bestimmt, daß sie die Furt zu benutzen gedachten. Clausen hatte mit seinem Amnestieversprechen zweifellos einen starken Trumpf ausgespielt, denn es gab unter den Freischärlern eine ganze Reihe von Leuten - Hornblower hätte eine Anzahl von ihnen mit Namen nennen können - , die sich schon lange die Frage stellten, ob denn dieses verzweifelte Unternehmen noch lohne.
    Ein Mann kämpft für eine verlorene Sache viel härter und verbissener, wenn er nur noch den sicheren Tod vor Augen hat als wenn ihm der Ausweg der Kapitulation offen bleibt. Seine Gefolgsleute dachten wohl mit Sorge daran, wie schnell die Frist der vierzehn Tage verstrich, die ihnen der Aufruf zugestand.
    Heute schrieb man Sonntag, den 18. Juni 1815. Noch drei Tage mußte er also seine Leute bei der Stange halten, dann konnte er sicher sein, daß sie weiterkämpften, weil es von da an um ihren Hals ging. Seine wundgelaufenen Füße schmerzten furchtbar.
    Während der kurzen Marschpause bei dem erhängten Paul Marie war das Leben in sie zurückgekehrt, jetzt mußte er erst ein ganzes Stück marschieren, bis sie wieder gefühllos wurden.
    Es kostete ihn größte Überwindung, seine Schritte zu beschleunigen, um Marie einzuholen, die etwa in der Mitte der Schar marschierte. Sie trug eine Muskete umgehängt auf dem Rücken und hatte Annette neben sich. Marie hatte ihre dicken Flechten abgeschnitten - schon nach der ersten Nacht ihres Freischärlerlebens war sie ihnen mit einem gewöhnlichen Messer zu Leibe gegangen - , die übriggebliebenen Strähnen hingen ihr unordentlich in das schweißüberströmte, schmutzverkrustete Gesicht. Aber sie ebenso wie Annette waren körperlich in weit besserer Verfassung als Hornblower. Sie marschierten auf heilen Füßen und konnten daher freier ausschreiten als er, der müde und unter ständigen Qualen dahinhumpelte. Sie waren eben auch zehn und fünfzehn Jahre jünger als er.
    »Warum läßt du Pierre nicht zurück, damit du sein Pferd nehmen kannst, 'Oratio?« fragte Marie. »Das ist ausgeschlossen«, sagte Hornblower.
    »Er muß sowieso sterben«, wandte Marie ein, »weil er bestimmt den Wundbrand bekommt.«
    »Es würde auf die anderen den schlechtesten Eindruck machen, wenn wir ihn allein im Wald seinem Schicksal überließen«, sagte Hornblower. »Außerdem könnte ihn Clausen auffinden, ehe er tot ist, und von ihm erfahren, was wir vorhaben.«
    »Dann tötet ihn doch gleich und begrabt ihn«, sagte Marie.
    Wenn Frauen Krieg führen, sind sie viel grausamer als die Männer und stets dazu geneigt, die Logik des Kriegshandwerks auf die äußerste Spitze zu treiben. Wo war nun die zärtliche, weiche Marie, diese herzensgute, verstehende Frau, die er so oft aus überquellender Liebe hatte weinen sehen?
    »Nein«, sagte Hornblower noch einmal. »Ich hoffe, wir werden bald ein paar Pferde erbeuten.«
    »Dann haben wir Glück«, sagte Marie.
    Es war nicht leicht, unter den obwaltenden Umständen Pferde einigermaßen durchzubringen. Sie verendeten oder begannen zu lahmen, während der Mensch alle Härten lebend und marschierend überstand. Erst vor vierzehn Tagen hatte sie der von Briare anrückende Clausen gezwungen, Nevers zu räumen, und während der erbitterten Menschenjagd, die er dann veranstaltet hatte, waren die Pferde zu Dutzenden umgekommen. Dieser Clausen war allem Anschein nach ein tatkräftiger, entschlossener Befehlshaber, seine Kolonnen waren ihnen seither in rastloser Verfolgung auf den Fersen geblieben.
    Nur durch eine ununterbrochene Folge von Nachtmärschen, durch Listen und geschickte Winkelzüge war es bis jetzt gelungen, seinem Zugriff immer wieder zu entgehen. Zweimal hatte es bereits erbitterte kleine Nachhutgefechte gegeben, einmal war es ihnen geglückt, einen Trupp verfolgender Husaren in einen Hinterhalt zu locken. Hornblower sah noch vor sich, wie die Soldaten in ihren bunten Uniformen aus ihren Sätteln taumelten, als am Wegrand die tödliche Salve krachte.
    Inzwischen hatten sie schon gut die Hälfte ihres Mannschaftsbestandes eingebüßt und marschierten heute, nach einem langen Nachtmarsch, zum erstenmal auch bei Tage durch, um hinter einer der Abteilungen Clausens durchzubrechen und auf diese

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