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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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ungeheuer. Hornblower stieß angesichts des Stapels unerledigter Schriftstücke, der sich auf seinem Schreibtisch türmte, einen tiefen Seufzer aus. Es gab so unendlich viel zu tun. Da war zum Beispiel dieser Pionieroffizier Saxton, der gerade von England angekommen war und mit viel Geschrei den Bau einer neuen Batterie forderte, einer Lunette oder Fleche, wie es in der barbarischen Sappeursprache hieß, die die Verteidigungsanlagen des Rouentores decken sollte. Das war alles schön und gut, aber er mußte die Bürger der Stadt zur Zwangsarbeit pressen, wenn er diese Arbeit durchführen wollte. Von Whitehall waren eine Menge Papiere eingegangen, meist Berichte von Spionen, die sich auf Bonapartes militärische Stärke und seine Bewegungen bezogen. Er hatte sie alle überflogen, eine oder zwei davon verdienten ein genaueres Studium. Die Proviantschiffe, die Whitehall ihm gesandt hatte, mußten gelöscht werden - offenbar sollte Le Havre für den Fall einer Belagerung gut mit allen nötigen Nahrungsmitteln versehen sein, aber es blieb ihm überlassen, für die Einlagerung von tausend Faß Salzfleisch zu sorgen. Die Straßen der Stadt bedurften dringend polizeilichen Schutzes. Man hatte einige der bedeutendsten Bonapartisten ermordet, nach Hornblowers Meinung ging es dabei allerdings in der Hauptsache um die Begleichung persönlicher Schuldkonten, in einem Fall vermutete er sogar, daß Lebrun die Hand im Spiel hatte. Die andere Seite versuchte nun durch meuchlerische Ermordungen Vergeltung zu üben. Das konnte nicht so weitergehen, sonst lief er Gefahr, daß sich die Stadt, die er jetzt in seiner Gewalt hatte, in zwei Lager spaltete. Gegen die Meuterer der Flame, die er nicht begnadigt hatte, tagte gegenwärtig das Kriegsgericht. Sein Urteil mußte in jedem Fall auf Todesstrafe lauten - auch das gab eine Menge zu denken.
    Und endlich war er nicht nur Gouverneur von Le Havre, sondern gleichzeitig Kommodore eines englischen Geschwaders und hatte als solcher die vielfältigen Pflichten eines Geschwaderchefs zu erfüllen. So mußte er zum Beispiel entscheiden, ob... Es litt Hornblower nicht auf seinem Stuhl, er ging schon wieder auf und ab. Dieser riesige Saal im Hotel de Ville war für seine Spaziergänge auch viel besser geeignet als jedes Achterdeck eines Schiffes. Er hatte nun vierzehn Tage Zeit gehabt, sich an das Fehlen frischer Luft und weiter Horizonte zu gewöhnen. Sein Kopf war vornübergebeugt, seine Hände hielt er auf dem Rücken gefaltet, während er im Auf- und Abschreiten die Entscheidungen traf, die man von ihm verlangte. Das war nun der Lohn für seine Erfolge! Man hatte ihn in ein Büro gesperrt und an einen Schreibtisch gekettet, er mußte seine Zeit auf ein Dutzend Abteilungschefs und eine ungezählte Schar von Bittstellern verteilen. War er überhaupt noch Seeoffizier? Er kam sich fast vor wie einer jener gehetzten Geschäftsleute aus der Londoner City, nur daß es ein solcher als Kaufmann nicht nötig hatte, neben seiner sonstigen Arbeit und Verantwortung Tag für Tag lange Berichte nach Whitehall abzufassen. Es war gewiß eine große Ehre für ihn, daß man ihn mit dem Posten eines Gouverneurs von Le Havre betraut hatte, daß er bei dem Angriff gegen Bonaparte die Spitze halten durfte, aber es war auch eine schwere Last.
    Da, schon wieder eine Unterbrechung: Ein älterer Offizier in dunkelgrüner Uniform, der ein Blatt Papier in der Hand schwenkte. Das war - wie hieß er doch? Richtig, Hau, Hauptmann bei den 60er Füsilieren. Niemand wußte genau, welcher Nation er im Augenblick angehörte, vielleicht wußte er es nicht einmal selbst. Das 60. Regiment war, seitdem es seinen Titel »Royal Americans« verloren hatte, zum Sammelbecken aller Ausländer geworden, die in den Dienst der britischen Krone traten. Hau war vor der Französischen Revolution offenbar Hofbeamter in einem der unzähligen Kleinstaaten auf dem französischen Rheinufer gewesen. Sein Fürst und Herr lebte seit zwanzig Jahren im Exil, die Landeskinder waren seit zwanzig Jahren Franzosen, und er selbst war diese zwanzig Jahre hindurch von der britischen Regierung zu den verschiedensten Aufgaben verwandt worden.
    »Der Postbeutel des Foreign Office ist angekommen, Sir«, sagte Hau. »Diese Depesche hier ist als›dringend‹bezeichnet«
    Hornblower hatte sich eben mit der Ernennung eines neuen Juge de Paix befaßt, der alte war allem Anschein nach auf bonapartistisches Gebiet geflüchtet. Nun ließ er diese Angelegenheit fallen, um sich

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