Hornblower 09 - Lord Hornblower
mit dem neuesten Problem zu beschäftigen.
»Sie schicken uns einen Prinzen«, meinte er, nachdem er den Brief gelesen hatte. Hau zeigte sich sofort lebhaft interessiert.
»Wie heißt er, Sir?« fragte er. »Es ist der Herzog von Angouleme.«
»Wird unter Umständen Erbe der bourbonischen Linie«, sagte Hau mit sorgfältig abgewogenen Worten. »Ältester Sohn des Herzogs von Artois, des Bruders Ludwigs. Durch seine Mutter stammt er vom Haus Savoyen ab. Seine Gattin ist Marie Therese, die Gefangene des Temple, Tochter des Märtyrerkönigs Ludwig XVI. Eine gute Wahl. Er dürfte etwa vierzig Jahre alt sein.«
Hornblower konnte sich nicht recht vorstellen, was ihm ein königlicher Prinz hier nützen sollte. Gewiß, manchmal mochte es gut sein, eine solche weithin sichtbare Galionsfigur zur Verfügung zu haben, aber Hornblower litt nun einmal unter der Bürde einer völlig nüchternen, illusionslosen Betrachtungsweise und sah daher kommen, daß ihn die Anwesenheit des hohen Herrn viel häufiger zusätzliche und dabei unnütze Arbeit kosten werde.
»Wenn der Wind günstig ist, wird er schon morgen eintreffen«, bemerkte Hau.
»Der Wind ist günstig«, sagte Hornblower mit einem Blick auf die Flaggenmasten vor dem Fenster, an denen die Unionsflagge Englands und die weiße Flagge der Bourbonen einträchtig nebeneinander flatterten. »Die Umstände gebieten, daß der Prinz mit allen fürstlichen Ehren empfangen wird«, sagte Hau. Die Gedanken, die ihm dabei durch den Kopf gingen, waren nicht schwer zu erraten. Sie hatten die Wirkung, daß er unbewußt dazu überging, französisch zu sprechen. »Ein bourbonischer Prinz setzt nach zwanzig Jahren zum ersten Male wieder seinen Fuß auf französischen Boden! Am Kai wird er von allen Würdenträgern der Stadt begrüßt. Wir schießen Königssalut. Dann folgt der Zug zur Kirche, ein feierliches Tedeum, Einzug ins Rathaus und hier endlich ein großer Empfang.«
»Das ist alles Ihre Sache«, sagte Hornblower trocken. Die bittere Winterkälte hielt immer noch ungebrochen an. Unten am Kai, wo Hornblower wartete, während die Fregatte mit dem Herzog an Bord in den Hafen gewarpt wurde, blies ein schneidender Nordost, gegen den sogar sein schwerer Mantel auf die Dauer keinen Schutz bot. Hornblower bedauerte die armen Matrosen und Soldaten, die hier angetreten waren, und die Besatzungen der Kriegsschiffe im Hafen, die auf den Rahen paradierten. Er selbst war eben erst vom Rathaus gekommen, wo er sich so lange aufgehalten hatte, bis ihm eine Ordonnanz meldete, daß die Landung des Herzogs unmittelbar bevorstehe.
Die anderen Würdenträger und nachgeordneten Beamten, die sich jetzt hinter ihm gruppierten, waren schon längere Zeit versammelt. Hornblower hatte den deutlichen Eindruck, als hörte er sie auf ihrem Platz unisono mit den Zähnen klappern.
Mit der Aufmerksamkeit des Fachmannes beobachtete er das Warpmanöver der Fregatte, hörte er auf das Klappern des Spills und auf die scharfen Befehle der Offiziere. Langsam verholte das Schiff an den Kai. Die Fallreepsgäste und Bootsmannsmaate traten am Fallreep an, dann erschienen die Offiziere in Gala. Die Ehrenwache der Seesoldaten zog auf, vom Fallreep zum Kai wurde eine Laufbrücke gelegt. Da erschien auch schon der Herzog, eine große, steife Gestalt in Husarenuniform mit breitem, blauem Ordensband quer über der Brust. An Bord ertönte ein langer, trillernder Seitepfiff der Bootsmannsmaate, die Ehrenwache präsentierte, und die Offiziere hoben ihre Hände grüßend an den Hut.
»Treten Sie bitte vor, um Seine Königliche Hoheit zu begrüßen, Sir«, soufflierte Hau, der dicht hinter Hornblower stand.
Quer über die Mitte der Laufbrücke zog sich so etwas wie eine magische Linie, die der Herzog beim von Bord gehen überschritt. Er verließ damit das englische Schiff und betrat den Boden Frankreichs. In diesem Augenblick senkte sich die französische Königsstandarte im Topp der Fregatte, die Pfeifen erstarben mit einem letzten, klagenden Ruf. Die zusammengefaßten Musikkorps setzten mit einem schmetternden Triumphmarsch ein, die Salutgeschütze donnerten, Matrosen und Soldaten der Ehrenwache präsentierten ihre Gewehre nach den verschiedenen Reglements des Heeres, der Flotte, der Engländer und der Franzosen. Hornblower trat vor, schwang seinen Dreimaster mit der höfischen Geste vor die Brust, die er unter Haus Anleitung am Morgen sorgfältig einstudiert hatte, und verbeugte sich vor dem Vertreter Seiner Allerchristlichsten
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