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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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dem Stoß Zeitungen zu Ende gekommen, da fühlte er, wie das Bett unter ihm leise zitterte. Zugleich flackerten einen Augenblick die Kerzen in seinem Leuchter wie von einem Luftzug. Hornblower machte sich keine weiteren Gedanken darüber - vielleicht war irgendwo ein schweres Geschütz abgefeuert worden. Allerdings hatte man nichts von einer Detonation gehört. Wenige Sekunden später hörte er, wie seine Schlafzimmertür leise geöffnet wurde.
    Als er den Kopf hinwandte, bemerkte er, daß Brown hereinspähte. Offenbar wollte er sich davon überzeugen, ob er schlief. »Was ist los?« fuhr er ihn an. Er hielt mit seiner gereizten Stimmung sowenig hinter dem Berge, daß selbst Brown das Wort im Munde steckenblieb.
    »Los, heraus damit!« knurrte Hornblower. »Warum werde ich gegen meinen ausdrücklichen Befehl gestört?«
    Hinter Brown wurden Howard und Dobbs sichtbar.
    Anständigerweise waren sie nicht nur bereit, die Verantwortung für die Störung zu übernehmen, sondern auch den ersten zornigen Ausbruch des Kommodore über sich ergehen zu lassen.
    »Wir haben eine heftige Explosion beobachtet, Sir«, sagte Howard, »das Aufblitzen war am Himmel deutlich zu sehen, und zwar in Ost zu Nord, Sir. Ich habe gleich eine Peilung genommen. Es könnte im Caudebec gewesen sein.«
    »Wir fühlten die Erschütterung, Sir«, sagte Dobbs, »aber es war nichts zu hören, also ist die Entfernung wahrscheinlich sehr groß. Es mußte eine riesige Explosion gewesen sein, daß die Erschütterung davon bis hierher zu spüren war, obgleich man nichts mehr hören konnte.« Demnach konnte man beinahe mit Sicherheit annehmen, daß Bush Erfolg gehabt hatte. Offenbar war es ihm gelungen, die französischen Munitionsschuten wegzunehmen und in die Luft zu sprengen. Tausend Schuß für jeden der vierundzwanzig Vierundzwanzigpfünder, das war für eine Belagerung das mindeste. Für jeden Schuß brauchte man acht Pfund Pulver. Das machte zusammen achtmal vierundzwanzigtausend oder fast zweimal hunderttausend Pfund Pulver, also umgerechnet rund hundert Tonnen. Hundert Tonnen Pulver gaben eine ganz nette Explosion. Als Hornblower mit dieser Kopfrechnung fertig war, faßte er Howard und Dobbs wieder ins Auge. Bis dahin hatte er sie angeblickt, ohne sie wirklich zu sehen. Brown war während dieser Besprechung seiner Vorgesetzten taktvoll aus dem Zimmer geschlüpft.
    »Nun?« sagte Hornblower.
    »Wir dachten, Sie hätten Wert darauf gelegt, sofort davon unterrichtet zu werden, Sir«, meinte Dobbs verlegen.
    »Ganz richtig«, sagte Hornblower und verbarg sich wieder hinter seiner Zeitung. Dann ließ er sie noch einmal einen Augenblick sinken, sagte »Danke sehr« und hob das Blatt gleich wieder vor sein Gesicht. Hinter der Zeitung verborgen, konnte Hornblower hören, wie seine beiden Stabsoffiziere aus dem Zimmer schlichen und die Tür leise hinter sich schlossen. Die Rolle, die er da eben gespielt hatte, gefiel ihm gar nicht so übel.
    Besonders dieses »Danke sehr« zum Schluß war ihm glänzend gelungen, es erweckte den Eindruck, daß er seinen Untergebenen gegenüber immer auf die Wahrung guter Formen bedacht blieb, obwohl ihn solche Kleinigkeiten, wie die Zerstörung eines Belagerungsparks, höchstens langweilen konnten. Aber schon im nächsten Augenblick stellte er voll bitteren Hohnes fest, daß er sich nicht zu gut gewesen war, diesen lächerlichen Triumph auszukosten. Da überkam ihn plötzlich eine gründliche Verachtung seiner selbst und versetzte ihn in eine bedrückte, elende Gemütsverfassung, die auch dann noch anhielt, als ihre eigentliche Ursache schon wieder abgeklungen war. Mit diesem Druck, der auf ihm lastete, hatte es offenbar noch eine andere Bewandtnis, Hornblower legte die Zeitung wieder beiseite und folgte mit dem Blick den Schattenspielen oben am Betthimmel. Da kam ihm auf einmal seine völlige Einsamkeit zum Bewußtsein. Er aber brauchte Gesellschaft, er brauchte Freunde, mehr noch, er brauchte sorgliche, tröstliche Liebe, Und gerade die war ihm als Gouverneur dieser trübseligkalten, belagerten Stadt versagt. Er trug das ungeheure Gewicht der Verantwortung ganz und allein, er hatte niemand, der Ängste und Hoffnungen mit ihm teilte.
    Hornblower war schon im Begriff, in den Abgrund des Mitleids mit sich selbst zu stürzen, als er im letzten Augenblick solchen Wünschen und Vorstellungen Einhalt gebot. Die Entdeckung dieser Gefahr vermehrte indessen seine Selbstverachtung noch um ein bedeutendes. Er hatte sein eigenes Wesen

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