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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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immer mit viel zu kritischen Augen beobachtet und die eigenen Fehler viel zu klar erkannt, um sich wirklich selbst bedauern zu können.
    Natürlich war er auch daran selbst schuld, daß er jetzt so einsam war. Warum hatte er zum Beispiel Howard und Dobbs ohne jeden Grund abgewiesen? Ein vernünftiger Mensch hätte ganz einfach ihre freudige Erregung geteilt, eine Flasche Champagner holen lassen, um den Erfolg zu feiern, und ein paar nette Stunden mit ihnen verbracht. Es hätte ihrem Pflichteifer und ihrer Dienstfreudigkeit bestimmt nichts geschadet, wenn er bei dieser Gelegenheit mit ein paar Worten angedeutet hätte, daß dieser Erfolg zu einem wesentlichen Teil ihrer Mitwirkung zu verdanken sei, ganz gleich, ob es wirklich so war oder nicht. In der Tat zahlte er jetzt den hohen Preis der Einsamkeit nur für das höchst flüchtige und obendrein höchst zweifelhafte Vergnügen, für etwas zu gelten, was er in Wirklichkeit nicht war, nämlich ein Mann, dem menschliche Regungen nichts anhaben konnten. Hornblower schluckte diese bittere Erkenntnis hinunter und zog daraus den Schluß, daß ihm im Grunde ganz recht geschah.
    Er zog die Uhr, eine halbe Stunde war seit der Explosion vergangen, und die Ebbe lief hier an der Mündung schon eine gute Stunde länger. Auch oben in Caudebec mußte der Strom bereits vor einiger Zeit gekentert sein. Man durfte also hoffen, daß Bush mit seiner Flottille jetzt in begeisterter Siegesstimmung stromabwärts unterwegs war. Wahrscheinlich hatten sich die Soldaten des französischen Belagerungsparks dort oben völlig sicher gefühlt. Waren sie nicht von ihrem nächsten Gegner, der in Le Havre saß, zu Land noch fünfundzwanzig, zu Wasser mindestens noch dreißig Meilen entfernt? Stand nicht außerdem eine Armee von zwanzigtausend Mann bereit, um sie vor diesem Gegner zu schützen, der überdies bis zum heutigen Tage noch keinerlei Angriffsabsichten erkennen ließ? Dabei konnten wohlbemannte Boote diese Entfernung, für die die Infanterie, die Tagesstunden gerechnet, volle zwei Tage benötigte, in weniger als sechs Stunden zurücklegen, wenn sie sich von der reißenden Gezeitenströmung der Seine auf den Rücken nehmen ließen. Sie konnten also auf dem breiten, brückenlosen Strom im Lauf einer einzigen Nacht weit flußabwärts einen Schlag führen und ungesehen wieder zurückkehren. Gerade die Tatsache, daß die Seine so breit war und keine Brücken hatte, mochte Quiot und seine Armee dazu verleiten, in ihr nur eine erwünschte Flankendeckung zu erblicken und darüber zu vergessen, welche Möglichkeiten sie dem Feind als Heeresstraße bot. Quiot hatte bis zuletzt eine Division der kaiserlichen Garde befehligt. In den zehn Jahren ihres Siegeslaufes hatte diese Garde bis jetzt noch kein einziges Mal an einer Operation amphibischen Charakters teilgenommen.
    Hornblower wurde gewahr, daß er dem gleichen Gedankengang schon einmal, nein, oft und oft nachgehangen hatte. Er putzte die tropfenden Kerzen, sah wieder nach der Uhr und streckte unter seinem Mantel ruhelos die Beine. Seine Hand griff unentschlossen nach den weggeworfenen Zeitungen, aber er zog sie sofort wieder zurück. Die unangenehme Gesellschaft seiner eigenen Gedanken war ihm immer noch lieber als die der Times und des Morning Chronicle. Ja, sie war ihm sogar entschieden mehr wert als dieses ganze subalterne Gewäsch, zumal er sie insoweit ein wenig genießbarer zu machen verstand, als er dabei das Bewußtsein haben durfte, seine Pflicht zu erfüllen. Er warf den Mantel von den Beinen ab und erhob sich. Dann zog er mit einiger Sorgfalt seinen Rock zurecht, kämmte sich vor dem Spiegel aufmerksam die Haare und schlenderte endlich aus dem Zimmer. Dem Posten vor der Tür gab es einen förmlichen Riß, als er seine Ehrenbezeigung machte - es war nicht schwer zu erraten, daß er im Stehen geschlafen hatte. Hornblower überquerte die weite Halle und betrat das gegenüberliegende Zimmer. Beim Öffnen der Tür schlug ihm warme Stickluft entgegen. Eine einzelne Kerze hinter einem Schirm gab so wenig Licht, daß kaum Einzelheiten zu unterscheiden waren. Dobbs saß schlafend an einem Tisch, sein Kopf ruhte auf den gekreuzten Armen, und hinter dem Tisch lag Howard auf einem Feldbett. In dem tiefen Schatten, der dort herrschte, vermochte Hornblower sein Gesicht nicht zu erkennen, er hörte nur sein leises, regelmäßiges Schnarchen.
    Hier begehrte niemand nach seiner Gesellschaft, also zog er sich wieder zurück und schloß sachte die Tür.

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