Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
ich zweimal umziehen«, entgegnete Ransome. »Ich übernachte hier an Bord.«
»Ab morgen steht Ihnen natürlich das Admiralitätsgebäude uneingeschränkt zur Verfügung. Wir würden uns geehrt fühlen, wenn Sie heute zum Dinner unser Gast sein wollten. Vielleicht kann ich Ihnen bei dieser Gelegenheit über die Lage hier einiges Nützliche sagen.« Ransome maß Hornblower mit einem Blick, der deutlich genug einen gewissen Argwohn verriet. Er hatte durchaus keine Lust, sich von seinem Vorgänger Vorschriften machen und ein Verhalten aufdrängen zu lassen, das dieser für richtig hielt. Dennoch sagte ihm sein gesunder Menschenverstand, daß eigentlich alles für Hornblowers Vorschlag sprach.
»Ich folge Ihrer Einladung mit dem größten Vergnügen und sage Ihnen meinen ergebensten Dank, Mylord.«
Hornblower suchte das Mißtrauen des anderen so taktvoll wie möglich zu zerstreuen. »Das Postschiff, mit dem meine Frau und ich nach England segeln, macht schon seeklar, wir laufen also bereits in den nächsten Tagen aus.«
»Das fügt sich ja ausgezeichnet, Mylord«, sagte Ransome.
»Ich heiße Sie nochmals herzlich willkommen, Sir, und möchte Sie nun bitten, mich zu beurlauben. Dürfen wir Sie um vier Uhr erwarten? Oder wäre Ihnen eine andere Stunde angenehmer?«
»Nein, vier Uhr paßt mir ausgezeichnet«, sagte Ransome. Der König ist tot, es lebe der König, dachte Hornblower auf dem Rückweg. Morgen schon wurde er durch einen anderen Mann ersetzt und war dann nur noch einer von den vielen, ein Offizier auf Halbsold. Glanz und Ehre des Oberbefehlshabers gingen auf Ransome über. Das verdarb ihm etwas die Laune, aber mehr noch ärgerte er sich darüber, daß er Ransome so übertrieben höflich, ja, fast unterwürfig willkommen geheißen hatte. Der Mann hätte ihm das wirklich mit etwas mehr Lebensart entgelten können. Er machte seinen Gefühlen freimütig Luft, als er Barbara über die Begegnung berichtete, und zügelte sein Temperament erst, als er ihr belustigtes Zwinkern und ihre hochgezogenen Brauen bemerkte.
»Du bist doch der süßeste Einfaltspinsel, den ich kenne, mein Herz«, sagte sie. »Kannst du dir wirklich nicht erklären, warum der Mann so ist?«
»Nein«, sagte Hornblower, »das ahne ich nicht.« Barbara trat ganz dicht vor ihn hin und blickte ihm fest in die Augen. »Kein Wunder, daß ich dich so unsagbar liebe«, sagte sie. »Siehst du denn nicht ein, daß es für niemand ein Kinderspiel ist, einen Hornblower ersetzen zu müssen? Du hast dich auch bei diesem Kommando wieder über alle Erwartungen bewährt und damit einen Maßstab geschaffen, an dem man Ransome unwillkürlich messen wird. Was glaubst du, wie schwer es ihm fallen wird, einen solchen Vergleich auszuhalten? Du magst ihn eifersüchtig oder neidisch nennen, jedenfalls konnte er seine Gefühle nicht ganz verleugnen.«
»Das geht mir wirklich beim besten Willen nicht ein«, sagte Hornblower.
»Gerade darum liebe ich dich ja so sehr«, sagte Barbara. »Ich könnte dir das hundertmal und immer wieder mit anderen Worten sagen, aber leider muß ich jetzt gehen und mein schönstes Kleid anziehen, um Ransomes hartes Herz zu erweichen.«
Ransome machte mit seiner massigen Gestalt, seinem Backenbart und der Art, wie er sich gab, zweifellos eine gute Figur, was Hornblower bei ihrer ersten Begegnung gar nicht so recht zum Bewußtsein gekommen war. In Barbaras Gesellschaft war er auch etwas zugänglicher, was vielleicht darauf zurückzuführen war, daß Barbara auch auf ihn ihre Wirkung nicht verfehlte. Wahrscheinlich aber zeigte er sich, wie Hornblower vermutete, nur darum von seiner besten Seite, weil er sehr wohl wußte, daß Lady Hornblower in den politischen Kreisen Londons erheblichen Einfluß besaß.
Hornblower tat jedenfalls sein möglichstes, die Spur von menschlicher Wärme zu nutzen, die der Mann jetzt erkennen ließ. Er schenkte ihm Wein nach, er flocht so beiläufig wie möglich nützliche Bemerkungen über die westindischen Verhältnisse ins Gespräch - immer ganz am Rand, so daß Ransome niemals argwöhnen konnte, er wolle auf seine künftigen Entscheidungen irgendwelchen Einfluß nehmen. Und doch handelte es sich immer um wertvolle Informationen, die Ransome zur Kenntnis nehmen und mit einem Lächeln über Hornblowers Offenherzigkeit im Gedächtnis bewahren konnte.
Trotz aller Bemühungen Hornblowers verlief jedoch das Dinner nicht gerade angeregt. Von Anfang bis Ende herrschte eine gespannte Stimmung, die sich nicht lösen
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