Hornblower 11 - Zapfenstreich
deutliche, gefährliche Sprache. Hornblower fühlte, wie sich Meadows' Hand wie ein eiserner Ring um seinen Arm legte.
»Ein Franzose«, sagte er und ließ eine ganze Kette wüster Flüche folgen. »Sieht ganz so aus«, sagte Hornblower.
Die Länge der Rahen ließ fast mit Sicherheit darauf schließen, daß sie ein Kriegsschiff vor sich hatten, aber dieses Schiff konnte ebenso gut ein britisches sein - eine der unzähligen Prisen, die den Franzosen abgenommen worden waren und die man erst vor kurzem in die Navy übernommen hatte, so daß noch nicht viel daran geändert worden war. »Der Bursche ist mir nicht geheuer«, sagte Meadows.
»Wo ist denn Baddlestone?« rief Hornblower und wandte sich, um einen Blick achteraus zu werfen.
Als er Baddlestone sah, der eben an Deck gekommen war und seinen Kieker auf die Brigg gerichtet hielt, riß er sich von Meadows' Griff los. Dann stürmten sie beide zusammen auf den Kapitän zu.
»Halsen, verdammt noch mal!« schrie Meadows, aber in der gleichen Sekunde hatte Baddlestone schon begonnen, seine Befehle über Deck zu schreien. Ein paar Sekunden gab es ein wildes und gefährliches Durcheinander, als die Passagiere versuchten, mit Hand anzulegen. Aber es erwies sich bald, daß auch sie alle geübte Seeleute waren. Die Schoten wurden gegen den starken Wind eingeholt, dann wurde das Ruder gelegt. Die Princess vollführte ein sauberes Halsemanöver, die großen Luggersegel knallten einen Augenblick wie Donner, dann wurden die Schoten etwas gefiert, und schon lag sie auf dem anderen Bug am Wind. Als sie einen kurzen Augenblick über den Kamm einer See hinwegglitt, sah Hornblower, der die Brigg nicht aus den Augen ließ, wie auch sie im Seegang hochstieg und dabei gleichzeitig überholte. Eine halbe Sekunde lang - mehr hatte er nicht nötig - entdeckte er da eine Reihe Geschützpforten, das letzte und abschließende Beweisstück, daß diese Brigg wirklich ein Kriegsschiff war. Jetzt lagen die Princess und die Brigg beide über den gleichen Bug am Wind, die Brigg peilte vom Leichter aus gesehen Steuerbord achteraus.
Trotz des Vorteils, den die Schratsegel der Princess beim Kreuzen boten, konnte ein scharfes Auge sehen, daß sie nicht ganz so hoch am Wind lag wie die Brigg. Sie hatte außerdem viel mehr Abtrift als die Brigg und war vor allem viel langsamer. Die Brigg konnte sie darum mit Leichtigkeit überholen und ausluven. Hornblower konnte sich ausrechnen, daß es nur eine Frage von Stunden war, bis die Princess von dem klaffenden Rachen des Gegners verschlungen wurde. Wenn der Wind inzwischen noch weiter ausschoß, dann kam das Ende nur entsprechend eher.
»Hol die Vorschot!« befahl Meadows, aber ehe ihm die Männer noch gehorchen konnten, denen sein Befehl gegolten hatte, hielt sie ein Ruf Baddlestones zurück.
»Stop! Hier wird nicht geholt!« Dann nahm er Meadows aufs Korn: »Ich bin der Kapitän dieses Schiffes, mischen Sie sich nicht in meine Angelegenheiten!«
Der dicke Handelsschiffskapitän stützte die Hände in die Hüften und begegnete dem Blick des Kommandeurs mit gebieterischem Ausdruck. Meadows wandte sich an Hornblower: »Müssen wir uns das gefallen lassen?« fragte er.
»Ja«, gab ihm Hornblower zur Antwort.
Das entsprach der Rechtslage. Sie waren zwar Soldaten und Seeoffiziere, aber hier an Bord waren sie nur Passagiere und daher der Befehlsgewalt des Kapitäns unterworfen. Selbst wenn es zu einem Kampf kommen sollte, blieb diese Bestimmung in Kraft. Auf Grund der Kriegsgesetze hatte auch ein Handelsschiff das Recht, sich zu verteidigen, und in einem solchen Fall behielt sein Kapitän die Führung, ob er nun über Stag ging oder einen Kurs absetzte oder andere Pflichten der Schiffsführung erfüllte.
»Da soll doch gleich...«, sagte Meadows.
Hornblower hätte wohl nicht so scharf und entschieden geantwortet, wäre seine Wißbegier nicht auf eine besondere Erscheinung gestoßen. Eben bevor Meadows seinen Befehl gab, hatte Hornblower gespannt beobachtet, wie sich die etwas verschiedene Stellung der beiden großen Luggersegel auswirkte.
Ihre Schoten waren nämlich nicht gleich dicht angeholt, aber der Unterschied war so gering, daß ihn ein unerfahrenes Auge überhaupt nicht wahrnahm. Eine systematische Anwendung der komplizierten - und unglaublich interessanten - Gesetze der Mechanik erwies deutlich, daß die Segel richtig standen. Das eine Segel sollte den Wind nämlich um ein Weniges auf das andere zulenken, und das war bei der augenblicklichen
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