Hornblower 11 - Zapfenstreich
mit Land Verbindung aufzunehmen - was ihm später auch vor Brest gelungen war -, und er kannte sogar die Schliche, die dazu dienten, den blockierten Verband genau unter Beobachtung zu halten.
»Sie scheinen Ihre Zeit in Ferrol ja gut genutzt zu haben, Herr Kapitän«, sagte Barrow.
Hornblower hätte darauf am liebsten die Achseln gezuckt, aber er vermied es im letzten Augenblick, sich durch dieses unenglische Gehaben eine Blöße zu geben. Die Erinnerung an jene Zeit des Unglücks und der Verzweiflung überkam ihn plötzlich mit so unwiderstehlicher Gewalt, daß er rückschauend das ganze Elend von damals aufs neue durchlebte. Als er wieder in die Gegenwart zurückfand, sah er Barrows Augen nach wie vor voll Neugier auf sich gerichtet und gab sich beschämt darüber Rechenschaft, daß er diesem Mann unfreiwillig Einblick in seine Gefühle gewährt hatte.
»Zum mindesten habe ich dort ein bißchen Spanisch gelernt«, sagte er. Er wollte damit eigentlich einen leichteren Ton in die Unterhaltung bringen, aber Barrow ließ nicht von dem Ernst ab, mit dem er das Gespräch begonnen hatte.
»Wahrscheinlich hätten sich nicht viele Offiziere diese Mühe gemacht«, bemerkte er.
Hornblower scheute wie ein bockendes Pferd, als er diese Anspielung auf seine Person vernahm.
In aller Hast sagte er: »In bezug auf Ferrol ist noch eine weitere Besonderheit zu berichten.«
»Und das wäre?«
»Die Stadt und ihre Hafenanlagen liegen am fernen Ende langer, schwieriger Straßen, die über Bergpässe führen. Es macht wenig Unterschied, ob man den Weg über Betanzos oder Villalba wählt. Dort eine blockierte Flotte zu versorgen, sie auf dem Landweg mit Hunderten von Tonnen Proviant und anderem Nachschub zu beliefern, dürfte mehr sein, als die Spanier leisten können.«
»Wissen Sie denn etwas über diese Straßen?«
»Ja, als Gefangener bin ich auf ihnen marschiert.«
»Nun ja, Boney ist jetzt Kaiser, und die Dons sind seine untertänigsten Sklaven. Wenn einer imstande ist, ihnen ihre Pflichten einzuhämmern, dann gibt es nur einen, und das ist Boney.«
»Sehr wahrscheinlich, Sir.« Das war eine politische Frage, die mit der Marine nichts zu tun hatte. Es wäre anmaßend von ihm gewesen, sich darüber länger auszulassen.
»Jetzt sind wir also glücklich wieder so weit«, sagte Barrow halb zu sich selbst, »wie wir seit 1795 immer gewesen sind: wir warten, daß der Gegner herauskommt und kämpft. Und nach Ihrer Meinung, Herr Kapitän, ist also unsere Ausgangslage dabei noch ungünstiger als bisher.«
»Das ist nur meine persönliche Ansicht«, beeilte sich Hornblower darauf zu bemerken.
Das waren Probleme für Admirale, für junge Offiziere war es nicht zuträglich, wenn sie sich darein verwickeln ließen.
»Wenn nur Calder Villeneuve entscheidend geschlagen hätte!« fuhr Barrow in seiner Betrachtung fort. »Dann wären wir unsere halben Sorgen los.« Darauf war ihm Hornblower irgendeine Antwort schuldig. Darum suchte er schnell nach unverbindlichen Worten, um vor allem den Eindruck zu vermeiden, daß er als junger Offizier es wagte, an einem Admiral Kritik zu üben.
»Damit dürften Sie recht haben, Sir«, sagte er. Er wußte, daß ganz England vor Wut kochen würde, sobald die Nachricht von der Schlacht bei Kap Finisterre veröffentlicht wurde. Bei Camperdown, bei Abukir und vor Kopenhagen waren die Gegner vernichtend geschlagen worden. Die Masse der Bevölkerung würde sich nie mit diesem bloßen Geplänkel zufriedengeben, zumal Bonapartes Armee schon klar zur Verschiffung an der Kanalküste stand und das Schicksal Britanniens wie nie zuvor davon abhing, daß seine Flotten erfolgreich geführt wurden. Es war durchaus möglich, daß Calder das Schicksal des Admirals Byng drohte. Er konnte wie Byng beschuldigt werden, daß er nicht das Äußerste unternommen hatte, den Gegner zu vernichten. Nur zu leicht konnte es angesichts der Lage schon in nächster Zukunft zu einer politischen Erhebung kommen. Damit kam man gleich zur nächsten Überlegung: ein politischer Umsturz fegte natürlich das Kabinett einschließlich des Ersten Lords und vielleicht sogar des Sekretariats von seinen Sesseln. Darum konnte es sein, daß der Mann, mit dem er eben sprach, sich schon in einem Monat nach einem neuen Posten umsehen mußte, und das mit diesem Makel auf seinem Namen. Für Hornblower ergab sich daraus eine heikle Situation, und er wünschte sich sehnlichst das Ende dieser Unterhaltung herbei. Vor allem hatte er entsetzlichen Hunger
Weitere Kostenlose Bücher