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Hornblower 11 - Zapfenstreich

Hornblower 11 - Zapfenstreich

Titel: Hornblower 11 - Zapfenstreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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allem Anschein nach keine Lösung gab. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr schwand alle Klarheit. Dabei konnte es gar kein Problem geben, wenn man nur die nackten Tatsachen gelten ließ. Irland konnte im Augenblick nur zwischen zwei Großmächten wählen, denen es sich unterwarf: England oder Frankreich. In einer Welt, die sich im Kriegszustand befand, gab es keine andere Möglichkeit.
    Es schien aber geradezu unglaublich, daß ein Volk im Ernst danach trachtete, sich von der englischen Herrschaft zu befreien - selbst wenn man die katholischen Querelen und das Übel der jenseits der Grenzen lebenden Grundbesitzer in Betracht zog - und sich statt dessen der Raubgier, der Grausamkeit und der Bestechlichkeit der französischen Republik auszuliefern. Darum war es im höchsten Grade unlogisch, wenn jemand sein Leben aufs Spiel setzte, um einen solchen Wandel herbeizuführen.
    Aber Patriotismus, so stellte Hornblower in bedrückter Stimmung fest, hatte nun einmal mit Logik nichts zu tun, und gerade die nackten Tatsachen wurden darum von den Patrioten am wenigsten beachtet.
    Aber auch an den englischen Methoden war eine Menge auszusetzen. Wolfe Tone und Fitzgerald waren in den Augen des irischen Volks zweifellos echte Märtyrer, und McCool war auf dem besten Wege, die gleichen Ehren zu erlangen. Es gab in der Tat kein wirksameres Mittel, einer Idee Adel und innere Kraft zu verleihen, als ein paar Märtyrer, die für sie den Tod auf sich nahmen.
    Die Hinrichtung McCools konnte nur das Feuer nähren, das England unbedingt zu löschen suchte. Zwei Völker rangen hier miteinander, weil Vaterlandsliebe und Selbsterhaltungstrieb ihnen das ihrer Meinung nach geboten. Gerade wegen dieser edlen Beweggründe aber war ein befriedigendes Ende dieses Kampfes vorläufig nicht abzusehen.
    Jetzt betrat Buckland, der Erste Offizier, die Messe. Er hatte den gleichen abwesenden Blick wie die meisten Ersten Offiziere, die schwer an ihrer Verantwortung zu tragen hatten.
    Seine Augen glitten flüchtig über die versammelten Tischgäste hin, und die jungen Offiziere, die schon ahnten, daß nun diesem oder jenem eine unerfreuliche Aufgabe zugeteilt werden könnte, gaben sich alle Mühe, nicht aufzufallen. Aber Buckland griff sich - wie konnte es anders sein - den allerjüngsten Leutnant heraus. »Mr. Hornblower«, sagte er.
    »Sir?« meldete sich Hornblower und gab sich alle Mühe, den Druck nicht zu verraten, der sich auf ihn nieder senkte.
    »Ich übertrage Ihnen hiermit die Verantwortung für den Gefangenen.«
    »Sir?« sagte Hornblower wieder, aber diesmal mit ganz anderer Betonung.
    »Hart wird beim Kriegsgericht als Zeuge aussagen«, erklärte Buckland - es war von ihm ein großes Entgegenkommen, daß er sich überhaupt zu dieser Erklärung seiner Absicht herabließ.
    »Der Wachtmeister ist ein Dummkopf, das wissen Sie selbst. Ich möchte aber, daß McCool in guter Verfassung zur Verhandlung kommt und daß er sich auch nachher nichts antut. Damit wiederhole ich wörtlich, was mir der Kommandant sagte.«
    »Aye aye, Sir«, sagte Hornblower, da es sonst nichts darauf zu sagen gab. »McCool darf uns also keine Geschichten machen, wie seinerzeit Wolfe Tone«, sagte Smith.
    Wolfe Tone hatte sich in der Nacht vor seiner Hinrichtung die Gurgel durchgeschnitten und war dann nach einer Woche gestorben. »Wenn Sie zu dieser Aufgabe etwas nötig haben, dann sagen Sie es mir«, sagte Buckland zu Hornblower. »Aye aye, Sir.«
    »Vier Fallreep!« schrie plötzlich eine Stimme oben an Deck, und Buckland eilte sofort hinaus. Die Ankunft eines hohen Offiziers war das Zeichen, daß sich das Kriegsgericht zu versammeln begann.
    Hornblower hatte sein Kinn auf die Brust sinken lassen. Die Welt war hart und erbarmungslos, und er selbst war ein Offizier im härtesten und erbarmungslosesten Dienst, den es in dieser Welt gab - in einem Dienst, in dem man ebensowenig sagen durfte ›ich kann nicht‹ wie ›ich wage es nicht‹ .
    »Pech, mein lieber Horny«, sagte Smith überraschend freundlich, und auch die anderen Tischgenossen gaben murmelnd ihr Mitgefühl kund. »Es gibt nichts anderes, als zu gehorchen, junger Mann«, sagte Roberts ungerührt.
    Hornblower erhob sich von seinem Stuhl. Er traute sich nicht, etwas zu sagen, darum verabschiedete er sich mit einer stummen Verbeugung von der Tischgesellschaft.
    »Da ist er - es fehlt ihm nichts, Mr. Hornblower«, meldete ihm der Wachtmeister, als er in der Finsternis des unteren Zwischendecks angelangt war.

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