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Hornblower 11 - Zapfenstreich

Hornblower 11 - Zapfenstreich

Titel: Hornblower 11 - Zapfenstreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Begegnung
The last encounter (1967)
    Großadmiral Lord Hornblower saß allein an seinem Eßzimmertisch in Smallbridge. Vor ihm stand sein Glas Portwein; er genoß den Augenblick in vollen Zügen. Der Regen trommelte gegen die Fensterscheiben; es regnete schon seit Tagen ohne Ende, seit Menschengedenken hatte es keinen so nassen Frühling gegeben, und dies waren wohl seine schlimmsten Tage. Sooft eine Bö die schweren Tropfen gegen die Scheiben jagte, wurde das Rauschen des Regens lauter. Man konnte damit rechnen, daß das Gejammer der Bauern und Pächter in diesem Jahre schlimmer wurde als sonst, weil sie mit ansehen mußten, wie ihre Ernte vernichtet wurde, ehe sie reifen konnte. Hornblower war darum heilfroh, daß er nicht auf die Pachterträge angewiesen war. Für einen Großadmiral gab es keinen Halbsold. Ob es regnete, ob die Sonne schien, ob es Krieg gab oder Frieden herrschte, als Großadmiral bezog er immer seine dreitausend Pfund im Jahr, und dazu kamen weitere dreitausend als Ertrag seines in Staatspapieren angelegten Vermögens. Der lastende Druck der Armut blieb ihm also fürderhin erspart, er hatte es weiß Gott nicht nötig, sich Sorgen zu machen. Er konnte es sich leisten, seinen Pächtern entgegenzukommen. Ja, es sollte nicht einmal schwierig sein, Richard weitere fünfhundert Pfund im Jahr zukommen zu lassen. Ein junger Oberst der Garde, der so oft zum Hofdienst bei der jungen Königin befohlen wurde, hatte gewiß schwer an seinen Schneiderrechnungen zu tragen.
    Hornblower nippte an seinem Portwein. Er streckte die Beine unter den Tisch und genoß die wohlige Wärme des Feuers in seinem Rücken. Zwei Gläser ausgezeichneten Bordeaux taten das ihre, ihm das delikate Dinner verdauen zu helfen - ein Grund mehr, daß er sich wirklich beglückwünschen durfte, hatte er doch mit seinen zweiundsiebzig Jahren noch eine Verdauung, die ihm keinen Augenblick Anlaß zur Sorge bot. Ja, er war in der Tat ein glücklicher Mensch. In seinem Beruf hatte er alles erreicht, was zu erreichen war; die Krönung seiner Laufbahn (seine Beförderung zum Großadmiral) war noch so jungen Datums, daß auch die Freude darüber noch frisch und lebendig war. Er war vollkommen gesund, hatte ein großes Einkommen, eine liebende Frau, einen prächtigen Sohn, die nettesten Enkelkinder und dazu einen guten Koch - was konnte er sich Besseres wünschen? Andächtig nippte er an seinem Portwein und genoß jeden Tropfen, der ihm durch die Kehle rann. Wenn das Glas leer war, wollte er in das Wohnzimmer hinübergehen, wo Barbara saß und las. Sie wartete auf ihn vor dem prasselnden Feuer, das auch dort im Kamin brannte. Ja, er hatte eine Frau, die ihn wirklich liebte, eine Frau, die mit den Jahren seltsamerweise noch schöner geworden war, als in ihrer Jugend.
    Ihre Wangen waren nämlich etwas eingefallen, so daß die edlen Linien ihres Gesichts jetzt erst richtig zur Geltung kamen. Ihr weißes Haar stand in reizvollem Gegensatz zu ihrer straffen Haltung und ihrer Beweglichkeit. Ja, sie war wirklich schön und sie vereinigte Anmut und Würde. Erst seit kurzem sah sie sich gezwungen, zum Lesen eine Brille zu tragen. Irgendwie schien das ihrem Selbstgefühl Abbruch zu tun, denn sie riß diese Brille jedes Mal eiligst von der Nase, wenn auch nur die Möglichkeit bestand, daß sie ein Fremder zu Gesicht bekam. Hornblower lächelte still vor sich hin, als er daran dachte, und nippte wieder an seinem Portwein. Ja, er liebte eben eine Frau aus Fleisch und Blut, eine unnahbare Göttin wäre nichts für ihn gewesen.
    Seltsam, daß er so glücklich sein und sich so sicher fühlen konnte. Wie war es denn gewesen? Hatte er nicht sein Leben lang Unglück, quälende Ungewißheit, Gefahren und Härten in Kauf nehmen müssen? Tod durch Geschützfeuer oder durch eine Gewehrkugel, Tod durch Ertrinken oder im Krankenbett, Rückschläge im Beruf oder gar Kriegsgericht - all dem war er oft genug um Haaresbreite entronnen. Auch für seine Person hatte er einen Abgrund des Unglücks kennen gelernt und war jetzt so glücklich, wie es sich ein Mensch nur wünschen konnte.
    Er hatte Armut, ja Hunger ertragen und lebte jetzt in Reichtum und Sicherheit.
    ›Was willst du eigentlich noch mehr?‹ sagte sich Hornblower angesichts dieser Lage. Aber selbst jetzt im Alter verzog sich sein Mund noch zu einem spöttischen Lächeln, wenn er sich eine solche Frage stellte. ›Wer ist schon vor seinem Tode glücklich zu nennen?‹ So hatte irgendein weiser Mann gesprochen und

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