Hornblower 11 - Zapfenstreich
Arbeitstisch kommandieren, die Zahl 1 oben auf die erste Seite meines Blocks schreiben und dann zum einleitenden Absatz ansetzen; das ist der Augenblick, in dem der Schlitten abgestoßen wird, dann gibt es kein Zurück mehr. Das zu erreichen, gibt es verschiedene Tricks; der gebräuchlichste ist der, dem Verleger zu sagen, daß ich einen Roman im Sinn habe, und ihm einen Ablieferungstermin zu versprechen - ihn feierlich zu versprechen ohne wenn und vielleicht. Das habe ich wohl zwanzigmal getan, und nie habe ich ein solches Versprechen gebrochen. Wenn ich das täte, käme ich mir vor wie ein bekehrter Säufer, der wieder zum Whisky greift. Meine letzte Sicherung gegen Faulheit wäre dahin. Die schnell wechselnden Daten auf dem Kalender zu betrachten, die Tage zu zählen, die mir zur Erfüllung meines Versprechens noch bleiben, das bringt mich früher oder später zur Tat - selten früher, meist später.
Für mich gibt es keinen anderen Weg, einen Roman zu schreiben, als am Anfang zu beginnen und fortzufahren bis zum Ende, und das ist gar nicht so selbstverständlich, wie es scheinen mag. Andere Leute haben andere Methoden. Ich habe von Romanen gehört, die in der Mitte begonnen wurden oder am Ende, die in einzelnen Teilen geschrieben wurden, um dann später zusammengeflickt zu werden; ich selbst aber habe nie den leisesten Wunsch verspürt, dergleichen zu tun. Ich habe das Ende natürlich im Kopf und ebenso die Zwischenpassagen, und ich eile voran, von einem festen Stützpunkt zum anderen springend, wie Eliza auf dem Flusse Ohio von einer Eisscholle zur anderen hüpfte.
Denken und Planen sind auch weiter vonnöten, aber in anderem Maßstab und anderer Art. Die Arbeit ist bei mir, wenn ich am Morgen erwache, sie ist bei mir, während ich im Bett mein Frühstück nehme und die Zeitung überfliege, während ich mich rasiere, bade und anziehe. Es ist die Arbeit des kommenden Tages, die meine Gedanken beschäftigt; die anspruchslosen, kleinen täglichen Verrichtungen erlauben den Gedanken, ja, ermutigen sie sogar, an den sich nähernden Schwierigkeiten zu arbeiten, die taktischen Probleme zu lösen, die bei der Durchführung des strategischen Planes auftauchen.
Gewöhnlich ist also die Tagesarbeit in meinem Kopf klar, wenn ich dastehe und meinen Entschluß zur Weiterarbeit spanne, wie man eine Uhr zu neuer Tagesleistung aufzieht. Plötzlich finde ich mich in meinem Arbeitszimmer, ertappe mich dabei, wie ich meine Füllfeder aufschraube, meinen Block an mich heranziehe und überschaue, was ich gestern geschrieben habe - und im Nu hat mich die Lust am Fabulieren davongetragen.
Und doch ist es, manchmal zu meiner eigenen Überraschung, harte Arbeit, peinliche und ermüdende Arbeit. Die Freude, die der schöpferische Akt bereiten kann, ist für mich überlagert von der körperlichen und geistigen Ermüdung, die er mit sich bringt.
Zwar kenne ich viele Romanschreiber, die das nicht so empfinden. Ich aber würde zuweilen wirklich lieber auf dem Stuhl beim Zahnarzt sitzen als am Schreibtisch. Weitgehend ist das einer Eigenart meines Temperaments zuzuschreiben, das einfach nicht zuläßt, daß ich langsam arbeite. In all diesen Jahren habe ich maßvolle Zurückhaltung nicht lernen können.
Eine Pause einzulegen, ruhig abzuwarten bringe ich nicht über mich. Habe ich einmal begonnen, so muß das Tagespensum geschafft werden, und es wird geschafft, vielleicht in einer Stunde, vielleicht in drei Stunden; aber jedes Mal, wenn ich fertig bin, bin ich auch körperlich fertig, kommt dieser elende Überdruß, dieses fade Gefühl der Erschöpfung. Dem Leben ist auf einmal alle Freude genommen; ich bin ausgetrocknet und leer und lebe den Tag zu Ende wie ein fremdes Wesen, ohne Saft und Kraft, und erst wenn der Abend sich neigt, wird dieses armselige Geschöpf langsam wieder so etwas wie ein Mensch.
Daß ich weiß: so wird es kommen, das macht es mir so schwer, den Mut zum Anfang zu finden. Das Zögern, das sich auch weiter jeden Morgen einstellt, ist leichter zu überwinden. Vor allem hat mir die Erfahrung eines gezeigt: wenn ich die Arbeit einen einzigen Tag hinausschiebe, so wirkt sich das aus wie das erste Glas für einen Trinker. Morgen schiebe ich schon leichter auf, und wenn ich schließlich auftauche aus der faulen Tour, sind drei Wochen vergangen, und die Folgen sind so unerfreulich, daß ich mit der Zeit gelernt habe, bei der Stange zu bleiben. Auch Routine spielt eine gewisse Rolle; habe ich erst ein paar Tage gearbeitet,
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