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Hornblower 11 - Zapfenstreich

Hornblower 11 - Zapfenstreich

Titel: Hornblower 11 - Zapfenstreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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dann habe ich mich unversehens daran gewöhnt, jeden Morgen so früh wie möglich an die Arbeit zu gehen. So zuwider mir der Gedanke an die Arbeit auch ist, ich bringe es schließlich so weit, daß mir das Gefühl, noch nicht bei der Arbeit zu sein, noch unangenehmer ist. Und das will etwas heißen. Schließlich spielt auch das in meinem Temperament begründete Verlangen eine Rolle, mit dieser Sache fertig zu werden. Nicht nur, weil ich die Bürde los sein möchte, die ich mir aufgepackt habe, sondern auch, um meine eigene Neugier zu befriedigen. Bestimmte Dinge liegen da vor mir - gewisse Stimmungen müssen ihren Ausdruck finden, es sind schwierige Ecken zu runden. Werden meine vorgefaßten Pläne sich bewähren? Werde ich die rechten Worte finden, um das Gefühl, das ich vermitteln möchte, auszudrücken? Das kann sich nur herausstellen, indem ich weiterschreibe - also!
    Man sitzt an einem Tisch und schreibt Worte auf ein Papier; was ist es, das diese Worte bildet? Was geht in mir vor, während ich sie niederschreibe? In meinem Fall habe ich keinen Zweifel: es handelt sich um eine Reihe von Schauungen. Nicht zweidimensional wie auf dem Bildschirm des Fernsehapparates; eher dreidimensional, als wäre ich ein dünner, unsichtbarer Geist, der auf einer Bühne herumspaziert, während die Aufführung in vollem Gange ist. Ich kann mich bewegen, wohin immer ich will, kann die Schauspieler genauso von hinten wie von vorne betrachten, von der rechten Bühnenseite wie von der linken, kann ihre Posten, ihre verborgenen Gesten, ihre Reden beobachten. Fast könnte man sie vierdimensional nennen, denn ich nehme ja auch ihre Gefühle wahr und ihre Motive. Und alles, was mir wesentlich scheint an der Szene, deren heimlicher Zeuge ich bin, merke ich mir. Ich kann eine Szene auch wiederholt ablaufen lassen, wie ein Hollywood-Regisseur in seinem Stuhl im Vorführraum, und wenn ich mit einer Szene fertig bin, lege ich sie beiseite und beschwöre eine andere herauf, die ich mir in all jenen Wochen der glücklichen Zeit des Entwerfens ausgedacht habe. Im Grunde handelt es sich von nun an wirklich nur um ein Berichten, denn das Ganze ist schon so gut wie vollständig erfunden, und doch ist bei dieser Niederschrift auch noch ein erstaunliches Maß an Konzentration notwendig. Wenn die Arbeit für den Tag getan ist und ich ins zivilisierte Leben zurückkehre, bin ich ähnlich verwirrt wie beim Erwachen aus lebhaftem Traum - wenn auch glücklicherweise nur für kurze Zeit. Aber es kann geschehen, daß ich zurückfalle, daß ich aus dem Alltag, aus meinem Privatleben wieder abtreibe und zurückschleiche in mein geheimes Theater, auf die geheime Bühne, so daß meine Tischgenossen mich mißtrauisch beäugen oder meine Bridge-Gegner über meine Versager triumphieren.
    Fast die ganze Geschichte ist, wie gesagt, schon ausgedacht, aber doch noch nicht alles. Was noch fehlt, sind unbedeutende Ergänzungen während der Arbeit am Schreibtisch - mehr Taktik als Strategie. Die Worte müssen gewählt, Sätze gebaut werden, die so genau wie möglich, sparsamst und doch treffend die Szene wiedergeben, deren Zeuge ich war. Dauernd muß ich mich fragen, ob der Abschnitt, den ich gerade schreibe, die gleiche Szene für das innere Auge des Lesers heraufbeschwören kann, ob die Gefühle, deren ich dabei gewahr werde, ihm wohl ebenso bewußt werden. Ein schlechter Satz könnte den Leser herausreißen wie ein brechender Zweig ein äsendes Wild aufschreckt. Ein ganz anderer Eindruck, als ich ihn übermitteln möchte, kann dabei herauskommen, wenn ein Satz falsch formuliert ist. Ich muß also jeden geschriebenen Satz objektiv überprüfen. Objektivität und Subjektivität müssen zusammen - oder wenigstens abwechselnd zur Wirkung kommen.
    Und hierin liegt der große Vorteil des Schreibens mit der Hand gegenüber dem Maschineschreiben. Änderungen können leicht angebracht werden, und nicht nur im eben vollendeten Satz. Es erweist sich manchmal als notwendig, ein oder zwei Seiten zurückzublättern, um nachzuschauen, ob das Schiff gerade mit einem oder zwei Reffs segelt, oder wer die letzte Bemerkung gemacht hatte. Wort für Wort muß nachgeprüft werden, und dabei heißt es natürlich Selbstkritik üben. Auf einer handgeschriebenen Seite ist es sehr einfach, ein Wort durch ein anderes zu ersetzen oder Redewendungen durch einen Kreis mit Pfeil an einen anderen Platz zu verweisen. Vor einer Seite Maschinenschrift, mit dem Zwang, die Durchschläge wieder genau auf

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