Hornblower 11 - Zapfenstreich
mein Leben glücklicher - und seltsamerweise ist es trotz alledem wahr, daß wenige Menschen ein glücklicheres Leben führen als ich. Ich muß wohl so etwas wie eine Prinzessin sein, die die Erbse durch sieben Matratzen hindurch spürte. Jedes Buch ist so eine Erbse. Unvermeidlich kommen nun die Fahnenabzüge herein, Bogen für Bogen, englische proofs, amerikanische proofs, Bogen in periodischer Folge, und alle müssen gründlich durchgesehen werden auf der Suche nach Druckfehlern, deren jeder Fahnenabzug andere enthält. Schon an den ersten Satz Fahnen gehe ich widerstrebend heran, an den vierten oder fünften aber mit Grauen. Mittlerweile sind die Mängel in meinen Augen so gewachsen, daß ich ganz ernsthaft glaube, daß kein Mensch sich je mit diesem Blödsinn abgeben wird. Und wegen dieser Niedergeschlagenheit geben mir selbst die günstigen Kritiken und die wohlwollenden Kommentare der Freunde nicht die Befriedigung, die ich mir erhoffte, als ich zu schreiben begann. Mir scheint dann, daß Leute, die sich nett über meine Bücher äußern, Menschen ohne jedes Urteilsvermögen sein müssen, und daß es nicht lohnt, ihre Meinung überhaupt in Betracht zu ziehen. Glücklicherweise hält diese Phase akuten Verstörtseins nicht lange an. Ein Gefühl belustigter Toleranz verdrängt den Widerwillen, und bald sind alle Sorgen vergessen über der herzerquickenden Freude, nicht mehr Tag für Tag erschöpft zu sein.
Ja, ich verdanke es geradezu diesem meinem Beruf, daß ich viele Dinge sehr viel intensiver genieße als andere Menschen - wie zum Beispiel: wenn ich auf der Straße gehe und dabei meinen Kindern begegne; wieder einmal den kaum faßbaren Unterschied zu erspüren zwischen Whisttable- und Colchester-Austern (den zu fühlen ich während der Arbeit unfähig bin); die Morgendämmerung als einen alten Freund zu begrüßen, ob ich nun auf dem Heimweg bin oder das Haus gerade verlasse; zu baden im Überschwang des Bewußtseins, daß ich Energie zu vergeuden habe - oder eines der unzähligen Vorhaben anzugehen die mit Romanschreiben nichts zu tun haben, die ich liegen lassen mußte während dieses kleinen Gestorbenseins.
Und schon schleicht sich, fast unbemerkt, die nächste Geschichte in dieses erfreuliche Leben ein. Die Schlange hat Eingang in Eden gefunden ohne mein Mißtrauen zu erregen, selbst als ich sie schließlich als das erkannte, was sie ist. Ich bin ja noch in der glücklichen Zeit der Erfindung, und jeder Fortschritt in der Konstruktion bringt Augenblicke starker Befriedigung mit sich, schenkt mir wahre Freude, die ich um so lebhafter empfinde, als sie ganz unverdient ist, wenn mir während eines müßig vertanen Morgens plötzlich aufgeht, daß eine Schwierigkeit wie von selbst überwunden ist. Das sind die unschuldigen und doch erstaunlich stark erlebten Freuden, die die Wonne noch erhöhen, lebendig und in Eden zu sein. Kann es überhaupt ein besseres Leben geben?
Selbst dann, wenn es dem Ende zugeht und das Planen zur ernsten Arbeit wird, zeigt sich noch immer keine Wolke, die die Sonne verdunkeln könnte. Wenn es je dazu kommt, daß ich dieses neue Buch schreibe, wird es so vollkommen werden, wie ein Buch überhaupt sein kann. Es wird mir nicht schwer fallen, diesmal auf der Hut zu sein und die Mängel zu vermeiden, die das letzte Buch beeinträchtigen. Sollte ich mich wirklich entschließen, es zu schreiben, werde ich vernünftiger vorgehen.
Ich werde langsam arbeiten und mich freihalten von Übermüdung; ich werde mir die gute Stimmung zu bewahren wissen. Vielleicht wird das Schreiben diesmal eine sehr viel angenehmere Erfahrung als das letzte Mal - schlimmer kann es ohnehin nicht kommen. Und wenn ich diese Geschichte, die nach Ausdruck verlangt, noch länger zurückhalte, wird auch Eden nicht mehr das gleiche Eden bleiben. Und so gehe ich in mein Arbeitszimmer, schraube meine Füllfeder auf, und die Tore von Eden schlagen hinter mir zu und werden sich nicht wieder öffnen, bis ich den ganzen Zirkel aufs neue durchlitten habe.
Ich weiß noch gut, wie es mit Hornblower begann. Ein Bucherwerb war es, der den Schlamm vorbereitete, in den ich das erste wasserdurchtränkte Stück Holz versenken sollte. Und zwar kaufte ich das Naval Chronicle, eine Monatsschrift, die etwa von 1790 bis 1820 erschienen war und hauptsächlich Beiträge von Seeoffizieren für Seeoffiziere enthielt. In einem Antiquariat fand ich drei Bände davon - je sechs Hefte zu einem Band vereint -, und ich kaufte sie 1927, weil ich
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