Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe
mir. Also sagen wir: ,Mach mal Pause ...'" Auf Libbys verblüfften Blick hin breitete er die Hände aus. „Sie wissen schon, wie in diesem alten Werbespot."
„Ja, ja, ich weiß." Sie schlang einen Arm um ihr angezogenes Knie und betrachtete den Mann an ihrer Seite. Im einen Moment Poesie, im anderen Cola-Werbung. „Wissen Sie, manchmal frage ich mich, ob Sie tatsächlich ein real existierender Mensch sind."
„Oh, ich bin schon real." Er streckte sich im Gras aus und betrachtete den Himmel. „Was sehen Sie? Da oben, meine ich."
Libby bog den Kopf in den Nacken. „Einen glücklicherweise blauen Himmel und ein paar Wolken, die sich voraussichtlich bis zum Abend verzogen haben werden."
„Fragen Sie sich nicht, was sich dahinter befindet?"
„Hinter was?"
„Hinter dem Blau." Mit halb geschlossenen Augen sah er es vor sich: den endlosen Sternenbogen, das reine Schwarz des Raums, die faszinierende Symmetrie der kreisenden Monde und Planeten. „Denken Sie manchmal an die für Sie unerreichbaren fernen Welten dort?"
„Nein." Libby sah nur den Bogen aus Himmelsblau, in den die Berggipfel stießen. „Ich glaube, das liegt daran, weil ich mehr an die vergangenen Welten denke. Meine Arbeit verlangt es, dass ich mit den Füßen - und mit den Augen - auf dem Boden bleibe."
„Wenn es morgen auch noch eine Welt geben soll, dann müssen Sie zu den Sternen schauen." Wie unsinnig, dass er so viel an die Zukunft dachte und Libby ebenso viel an die Vergangenheit, wo sie beide doch das Hier und Heute hatten. „Was für Filme und welche Musik?" fragte er unvermittelt.
Libby schüttelte den Kopf. In Cals Gedanken schien keine Ordnung zu herrschen. Sie blickte ihn fragend an.
„Vorhin sagten Sie doch, Sie mögen Filme und Musik zur Unterhaltung. Von welcher Art?"
„Ach, gute und schlechte. Ich brauche nicht viel zur Unterhaltung."
„Nennen Sie mir Ihren Lieblingsfilm."
„Schwer zu sagen." Weil Cal sie aber so ernsthaft und interessiert anschaute, nannte sie einen Film aus ihrer Favoritenliste: „Casablanca."
Cal mochte den Klang dieses Worts und die Art, wie Libby es aussprach. „Wovon handelt er?"
„Na hören Sie, Hornblower, jeder weiß, wovon dieser Film handelt."
„Ich muss ihn verpasst haben." Er lächelte sie arglos an. Diesem Lächeln hätte jede vernünftige Frau misstrauen müssen. „Wahrscheinlich war ich gerade unterwegs, als er herauskam."
Lachend schüttelte Libby den Kopf. Ihre Augen funkelten belustigt. „In den Vierzigerjahren waren wir beide noch nicht unterwegs."
Darauf ging er nicht ein. „Wovon handelte also die Geschichte?" Das interessierte ihn eigentlich überhaupt nicht, er wollte Libby nur reden hören und ihr dabei zuschauen.
Um ihm einen Gefallen zu tun und weil es so schön war, am Wasser zu sitzen und zu träumen, begann sie zu erzählen. Cal hörte zu. Es machte ihm Freude, wie sie die Story von verlorener Liebe, von Heldentum und Opferbereitschaft beschrieb. Sie gestikulierte, ihre Stimme veränderte sich mit den Empfindungen, und ihre Augen spiegelten ihre Gefühle wider, als von Liebenden die Rede war, die das Schicksal erst wieder zusammenführte, um sie dann aufs Neue zu trennen. Libby ging vollkommen in der Geschichte auf.
„Das endet ja gar nicht glücklich", bemerkte Cal leise.
„Nein, aber ich habe immer das Gefühl gehabt, dass Rick seine Ilsa viele Jahre später, nach dem Krieg, wieder gefunden hat."
„Warum?"
Libby legte sich ebenfalls ins Gras und bettete ihren Kopf auf die verschränkten Arme. „Weil sie einfach zusammengehörten. Wenn zwei Menschen zusammengehören, finden sie einander, gleichgültig, was geschieht."
Lächelnd wandte sie den Kopf zu Cal, doch ihr Lächeln verschwand langsam, als sie seinen Blick sah. Als wären wir allein, dachte sie, nicht nur hier in den Bergen allein, sondern absolut allein, so wie es Adam und Eva gewesen waren.
Sie spürte dieses Sehnen. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie das Sehnen ihres Körpers, ihres Verstandes und ihres Herzens.
„Nicht doch", protestierte er leise, als sie aufstehen wollte. Ganz leicht berührte er sie an der Schulter. „Ich wünschte, Sie hätten keine Angst vor mir."
„Habe ich doch gar nicht." Trotzdem war sie so außer Atem, als wäre sie gerannt.
„Wovor fürchten Sie sich dann?"
„Vor nichts." Wenn seine Stimme nur nicht so beängstigend zärtlich klänge!
„Aber Sie haben sich ganz verspannt." Er begann die steifen Nackenmuskeln zu massieren. Leicht und kühl
Weitere Kostenlose Bücher