Hornjäger (German Edition)
eingesogen wurde. »Ich wollte Euch einen blauen Ohrring zurückbringen, den Ihr im Wald verloren hattet. Da Ihr selbst nicht zugegen wart, habe ich mir erlaubt, ihn persönlich an seinen Platz zu legen.«
Marezza hob eine Augenbraue. »Und das soll ich ihr glauben? Vielleicht ist es doch besser, ich weise den Scharfrichter an, weiterzumachen!«
Sie wedelte mit der Hand und der Mann mit der Maske hob erneut die Axt.
»Halt!« Das war Helwyrs Stimme. »Sie sagt die Wahrheit ... ich war zugegen!«
Sie drehte sich zu ihm um. »Und wer ist er?«
Helwyr streckte sich stolz. »Der Begleiter dieses edlen Fräuleins!«
»Ein edles Fräulein? So sieht sie aber nicht aus.« Sie rümpfte leicht die Nase.
Euphena reichte es. »Ich möchte Euch mal ohne Euer mit Krähenfußstickerei verziertem Brokatkleid sehen, nachdem Ihr mehrere Tage in einem Kerker zugebracht habt! Und was Ihr in einem Waldstück fernab der Stadt zu suchen habt, ist mir ebenso ein Rätsel!« Aus der Menge kamen überraschte Aufschreie. Euphena knickste höflich, aber dachte nicht im Traume daran, den Blick zu senken.
Sie wollte, dass Marezza wusste, dass sie sich in ihrer Welt auskannte. Sie sollte ruhig sehen, wen sie vor sich hatte!
Die Gräfin verzog ihr Gesicht kein Stück. Erst jetzt schien sie Euphena richtig wahrzunehmen. Sie musterte sie einen Augenblick, dann nickte sie leicht. »Ihr scheint die Wahrheit zu sprechen. Möglich, dass ihr von edlem Blute seid ... möglich auch, dass er Euer Begleiter ist.« Sie wies auf Helwyr, der den quengelnden Nuori wieder auf die Schultern nahm.
»Dennoch kann ich mich nicht erinnern, meinen Ohrring verloren zu haben. Schon gar nicht in einem ... Waldstück, wie Ihr sagt!«
»Bei meiner Ehre als Soldat, es ist die Wahrheit!« Helwyr kam noch weiter nach vorne. Ehrfürchtig wichen die Menschen vor ihm zurück.
»Woher weiß ich, dass Ihr ... « Marezza stockte mitten im Satz.
In ihren Blick mischte sich plötzlich Erstaunen und dann Verwunderung, als sie Helwyr eingehender betrachtete. Er nickte ihr höflich zu, aber sie beachtete es gar nicht. Euphena folgte Marezzas Blick, er galt Nuori.
Das hatte man davon, wenn man in wichtigen Situationen mit einem Kind mit rotem Turban auf dem Kopf herumrannte!
»Bei Eurer Ehre als Soldat?«, fragte sie nach einem kurzen Augenblick scharf.
Helwyr nickte.
»Dann ist die Sache hier erledigt! Ich danke Euch für Euer zahlreiches Erscheinen!« Sie verneigte sich leicht vor den Bürgern.
»Bringt sie hinein!«, befahl sie der Wache. »Dafür brauche ich kein Publikum.« Mit diesen Worten rauschte sie an Euphena vorbei und betrat, flankiert von ihrer Garde das Hauptgebäude.
Z u dritt warteten sie in einem gemütlichen Zimmer mit verschiedenen Sitzgelegenheiten auf das Erscheinen der Gräfin. Helwyr hielt Euphena an der einen und Nuori fest an der anderen Hand.
Gleich nachdem die Wachen das Zimmer verlassen hatten, war Euphena ihm um den Hals gefallen. Regungslos hatten sie so lange so verharrt, bis Nuori sie ungeduldig am Rock gezupft hatte. Sie hatten sich auf eine gepolsterte Bank gesetzt und Nuori hatte Euphena haarklein alles erzählt, was er erlebt hatte, seit sie von der Mühle aufgebrochen waren.
»Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist«, meinte er schließlich.
»Und ich erst!« Sie küsste ihn auf die Stirn und zog ihn auf ihren Schoß, um näher an Helwyr heranrücken zu können.
»Wenn ich diesen Mistkerl in die Finger kriege ...«, knurrte er in ihr Ohr.
Behutsam legte sie den Kopf an seine Schulter. »Ich habe dich vermisst!«
»Was für ein Idyll!« Mit einer leicht spöttischen Miene betrat Marezza den Raum. Sie trug jetzt ein schlichtes rotes Kleid und ihr schwarzes Haar, das schon von einigen Silbersträhnen durchzogen war, fiel leger über ihre Schultern.
Euphena stand auf. »Ich möchte Euch danken! Ihr habt mich gerettet!«
Marezza zuckte fast gleichgültig mit den Schultern. »Ich habe getan, was rechtens war.« Sie wedelte mit der Hand, worauf zwei Lakaien Wein und kleine Erfrischungen brachten. »Bedient Euch!«, sagte sie gönnerisch. »Das gilt auch für dich!« Sie zwinkerte Nuori zu. Der ließ sich das nicht zweimal sagen und probierte sich durch all die kleinen Köstlichkeiten.
Euphena nippte an ihrem Wein und ließ die Gräfin nicht aus den Augen. So kalt und herrisch sie außerhalb der Mauern gewesen war, so entspannt verhielt sie sich in ihrem Empfangsraum. Auch dass sie Nuori eben zugezwinkert hatte, passte gar
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