Hornjäger (German Edition)
»Wir nehmen dem Gaukler das Bein!« Er schlenderte zu ihnen zurück. »Wir wollen unseren Zuschauern ja ein wenig Abwechslung bieten!«
Euphena kochte vor Wut und warf sich gegen ihre Bewacher.
»Fangen wir mit ihr an!« Der Hauptmann schlenderte an den Rand der Plattform zurück. Zwei Wachen packten Euphena und zogen sie nach vorne. Von der Seite wurde ein Hackstock gebracht, auch der Scharfrichter überprüfte den Sitz seiner Maske und brachte sich in Position.
Euphena zerrte an den Fesseln, sie versuchte auszutreten und zu beißen, aber die Männer hielten sie wie in einem Schraubstock auf Abstand.
»Habt Ihr noch etwas zu Eurer Verteidigung zu sagen?«, fragte der Hauptmann ohne echtes Interesse.
»Ja! Ich bin unschuldig! Keines der Vergehen, die Ihr mir zur Last legt, habe ich begangen oder geplant!«
Euphena spürte das Blut in ihren Ohren Rauschen, sie fühlte, wie ihr Hals vom Schreien schmerzte, aber sonst fühlte sie nichts. Unsicher sah sie zu Helwyr hinüber und betete, dass er sich ruhig verhielt. Hier konnte er nichts ausrichten! Er stand inmitten einer kleinen Gruppe, die ihn unmerklich an Armen und Schultern festhielt. Er hielt den Blick starr auf sie gerichtet, während ein kahler Mann im Wollumhang von der Seite leise auf ihn einredete. Euphena sah, wie heftig er atmete, sah die Adern, die vor Anstrengung an seinem Hals hervortraten. Am liebsten wäre sie zu ihm hinabgestiegen und hätte ihn in den Arm genommen.
»Habt Ihr auch etwas außer diesen Lügen zu erzählen?« Mit einem überheblichen Lächeln wandte sich der Hauptmann Euphena zu.
So fest sie konnte, spuckte sie ihm ins Gesicht.
»Gut!« Er wischte sich mit dem Handrücken Euphenas Spucke aus dem Bart. »Dann eben beide Hände!«
Euphena schrie. Grob wurde sie zu Boden gedrückt und ihre Hände auf den Hackstock gelegt. Das durfte nicht passieren! Sie wollte ihre Hände behalten! Sie trat um sich und wand sich in den Griffen der Männer. Irgendjemand musste diesen Wahnsinnigen aufhalten!
Der Scharfrichter trat an den Hackstock. Euphena spürte, wie ihr nun doch die Tränen über die Wangen liefen. Verzweifelt zerrte sie an dem Strick. Langsam hob sich über ihr die Axt. Euphena schluchzte. Warum passierte nichts? Wieso rettete sie keiner?
Helwyr warf sich inzwischen gegen seine selbsternannten Bewacher. Stück um Stück kämpfte er sich zu ihr hinüber.
Euphena sah flehend zum Scharfrichter. Mit einem unmerklichen Kopfschütteln hob er die Axt noch ein Stückchen höher. Euphenas Körper wurde von ihren verzweifelten Schreien gebeutelt. Jetzt war alles aus! Alles!
Plötzlich ertönte Hufgetrappel hinter den Mauern. Der Scharfrichter stockte. Eine zierliche Reiterin preschte auf einem Schimmel durch das Tor, dicht gefolgt von einer Abteilung schwergerüsteter Männer. Panisch teilte sich die Menge, bis sie mit einem Ruck ihr Pferd zügelte. Ihr Kopf ruckte hin und her.
»Was ist hier los?«, herrschte sie den Hauptmann an.
Ihr Schleier legte sich sanft um ihre Schultern. Sie trug ein prunkvolles Kleid und musste ihre besten Jahre schon leicht überschritten haben. Ihre Augen wirkten klug und wach, in ihrer Jugend war sie bestimmt eine Schönheit gewesen. Euphena straffte sich. Nur eine Person konnte hier so auftreten!
»Meine Herrin!« Der Hauptmann fiel auf die Knie und senkte das Haupt.
Marezza!
Euphena konnte sie nicht mehr aus den Augen lassen. Ihre Präsenz war so stark, dass sie die Menschen unwillkürlich in ihren Bann zog.
»Sprich Hauptmann, was soll das?« Ihr Schimmel tänzelte leicht.
»Eine Verurteilung, Herrin.« Sein Kopf sank noch ein wenig tiefer.
»Ich kann mich nicht daran erinnern, Euch die Aufgabe erteilt zu haben, Verbrecher zu exekutieren.« Sie sprach nicht besonders laut, aber ihre Stimme hätte auf der Stelle einen Schmiedeofen zufrieren lassen. Sie reckte das Kinn.
»Ich bitte um Gnade, Herrin.« Jetzt klang der Hauptmann verunsichert.
»Um Euch kümmere ich mich später.« Sie trieb ihr Pferd durch die Menge, die hastig zurückwich. Ohne den Boden zu berühren, stieg sie aus dem Sattel direkt auf das Podest.
»Weshalb ist sie angeklagt?«, sie musterte Euphena abschätzig.
Euphena atmete tief durch und erhob sich. »Gräfin, man wirft mir vor, Euch bestohlen zu haben!« Sie erwiderte Marezzas Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Und? Hat sie?«
»Nein!«, sagte Euphena fest. »Ich wurde in Euren Gemächern angetroffen, das ist wahr!« Sie hörte, wie unter ihr scharf die Luft
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