Hornjäger (German Edition)
in den Mund gestopft und seinen Kopf an den Pfosten gebunden.
Euphena verzog keine Miene. »Dann bitte ich Euch!«
Der Aigidenkrieger beugte sich so knapp über sie, dass sie ihren Kopf zur Seite drehen musste, um mit ihrer Wange nicht seinen Hals zu berühren. »Geht doch!«, flüsterte er ihr zu und schnitt ihre Fesseln durch.
Euphena stieß ihn zur Seite und rappelte sich hoch.
Rund um den Platz reihten sich schlichte Holzbauten aneinander, sie waren von lichtem Wald umgeben und schmiegten sich wunderbar in den Hang. Der Krieger drückte sie vorwärts. Euphena drehte sich dennoch um. Ringsum stieß ihr Blick auf bewaldete Bergketten. Sie staunte. Sie mussten hier auf einer Art Hochplateau oder Alm sein ... in einer verborgenen Welt eben!
»Da rein!« Der Krieger mit den Ohrringen packte sie bei der Schulter und zog sie mit sich in das größte der Holzhäuser. Gleichmäßig geschnitzte Muster verliefen wie eine Stickerei über die alten Türflügel und schienen durch Wind und Wetter nur noch tiefer in das dunkle Holz gegraben worden zu sein. In der Halle roch es nach Stroh und Erde. Euphena blieb stehen, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen und das Bild, das sich ihr offenbarte in sich aufzunehmen. Zwei Reihen grober Tische und Bänke liefen an den Seiten entlang nach vorne und lenkten den Blick auf einen geschnitzten Holzthron am Kopfende des Saales. Hier drin saßen noch mehr Gehörnte und unterhielten sich leise.
Euphena machte ein paar Schritte tiefer in den Saal hinein. Sofort drehten sich einige Köpfe zu ihr. Ein wenig betreten strich sie ihr Kleid glatt.
»Sie will dich sprechen, Vater!« Der Krieger mit den vielen Ohrringen drängte sich an ihr vorbei und stellte sich wie beiläufig hinter den Thron.
Die Gestalt, die darauf saß, war furchterregend. Sie unterbrach ihr Gespräch mit einer jungen Gehörnten, die zu seinen Füßen saß, und wandte langsam den Kopf zu Euphena.
Zwei gelbe Augen mit denselben eckigen Pupillen starrten Euphena an. Na wunderbar! Jetzt war alles aus! Seinen dichten Bart hatte er mit einem Goldreif zusammengefasst und seine hüftlangen schwarzen Haare hingen an ihm wie Zotteln herab. Euphena staunte. Auf seinem Kopf saß nur ein Horn, das andere hatte er durch ein goldenes ersetzt. Euphenas Herz sank ihr direkt in die Hose. Sie stand hier vor einem sagenhaften König und hatte das goldene Horn, das all ihr Wünschen und Denken bestimmt hatte, zum Greifen nahe vor sich! Der König richtete sich etwas auf. Sein bodenlanges Wams aus weinrotem Brokat raschelte leise und schleifte über den trockenen Lehmboden.
Euphena wurde von hinten in die Knie getreten, sodass sie vornüber hinfiel. Da kniete sie nun, vor der Erfüllung all ihrer Wünsche, vor einem König, den es eigentlich gar nicht geben durfte. Der Moment war so überraschend gekommen ... Euphena hatte sich alles tausendmal ausgemalt, aber nie war es so ... so schlicht gewesen.
»Nun?« Seine Stimme donnerte durch den Saal. Jetzt starrten sie wirklich alle an.
Euphena schenkte den zwei Kriegern hinter sich einen giftigen Blick und räusperte sich. »Ich komme von weit her um ...«
»Das sehe ich!« Der Mund des Königs verzog sich zu einem grausamen Grinsen. Seine gelben Augen starrten sie unentwegt an. Hinter ihr lachte jemand verhalten.
»Aber warum seid Ihr hier?« Seine Stimme hatte den Klang von einem Meckern, das in einer Schlucht wieder hallte.
Euphenas Herz begann zu rasen. Gefelerius hatte recht gehabt! In diesen Wesen wohnte die Grausamkeit und sonst nichts! Was sollte sie jetzt antworten? Sie konnte dem König doch nicht ins Gesicht sagen, dass sie sein goldenes Horn brauchte, um nicht heiraten zu müssen! Das würde sie vermutlich den Kopf kosten!
»Ich ... Wir ...« Euphena warf die Hände in die Luft. Sie überlegte, was Helwyr jetzt tun würde, aber ihr fiel nichts Gescheites ein. Außer einem schmerzhaften Stich in ihrer Brust brachte ihr der Gedanke an ihn gar nichts!
»Sprich, Menschenweib! Wir haben Besseres zu tun!« Der Krieger mit den vielen Ohrringen stellte sich neben seinen Vater und verschränkte die Arme.
Euphena seufzte. Was soll’s! »Ich bin gekommen, um das goldene Horn zu holen!« Sie keuchte, jetzt war es raus! Vorsichtig sah sie den König unter ihren Haaren heraus an.
Er schwieg einen Moment und musterte sie nur. Dann lachte er auf. Es klang wieder mehr nach einem Meckern, als nach einem Lachen.
Euphena senkte beschämt den Blick. Das hätte sie sich gleich denken
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