Hornjäger (German Edition)
unter dem regelmäßigen Schaukeln ihres Trägers erneut ihre Augen schlossen.
Euphena schreckte hoch. Und blinzelte ins grelle Sonnenlicht. Irgendjemand hatte ihr einen Kübel eiskalten Wassers über den Kopf geleert und beugte sich nun über sie. Eine grobe Hand strich ihr die Haare aus dem Gesicht und öffnete brutal ihre Augen. »Also hinüber ist sie nicht!«, stellte eine tiefe Stimme fachmännisch fest. Ringsum ertönte leises Lachen.
»He du! Wach auf!« Die Hand tätschelte ihr die Wange und versetzte ihr dann einen leichten Schlag.
Euphena lehnte an einem Pflock, neben einem Steinbrünnlein. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken gefesselt. Helwyr saß mit eiserner Miene neben ihr. »Rühr sie nicht an!«, zischte er bedrohlich.
Euphena hob den Blick. Was war hier überhaupt los?
»Na also ... geht doch!« Sie sah direkt in ein bärtiges Männergesicht, dem die Haare in wilden Strähnen ins Gesicht hingen. Euphena keuchte entsetzt auf. Auf seinem Kopf saßen zwei mächtige Hörner! Sie waren leicht geschwungen, wie bei Ziegen und saßen zwischen seinen Haaren knapp hinter dem Stirnansatz. Sein restlicher Körper war der eines kräftig gebauten Mannes, dessen Füße in den dicken Stiefeln steckten, die sie die Schlucht hinaufgetragen hatten. Hastig zerrte Euphena an ihren Fesseln. Sie wollte nicht gefressen werden! Sie wollte auch nicht aufgespießt werden! Überhaupt wollte sie am liebsten so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Monster bringen!
Der Aigidenkrieger lachte grölend. »Wir haben es hier mit einem bockigen Zicklein zu tun!«, rief er über die Schulter und stand auf.
Jetzt erst sah Euphena, wo sie sich befand. Offensichtlich waren sie in ein Dorf gebracht und in der Mitte eines Platzes aus gestampfter Erde angekettet worden.
Um sie herum standen fünf Krieger mit mannshohen Speeren in der Hand und blickten grimmig auf sie herunter. Die meisten hatten schwarze Bärte und helle Augen. Und sie alle trugen ihr Haupt mit den Ziegenhörnern stolz erhoben.
»Sieht aus als hätten wir sie gefunden.« Helwyr neben ihr lachte ein freudloses Lachen.
Euphena beachtete ihn gar nicht. Nach ihrem Streit und all den Dingen, die Helwyr ihr an den Kopf geworfen hatte, hatte sie nur Augen für die Aigidenkrieger, die direkt einem Märchen entsprungen zu sein schienen. Alle fünf trugen ein ehemals weißes Hemd und darüber ein Lederwams in verschiedenen Farben. Ihre Beine steckten in dunklen Hosen und die Füße in schweren Stiefeln. Der Krieger, der sie so unsanft geweckt hatte, zwirbelte nachdenklich seinen Bart zu einem Spitz. Euphena staunte. Seine Ohrenränder waren über und über mit kleinen Goldringen geschmückt!
»Wer seid ihr?«, fragte er streng und musterte Euphena aus seinen grünen Augen. Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten. Er hatte genau die gleichen, eckigen Pupillen wie Gefelerius.
»Euphena, ich bin Hofdame bei Fengus dem Zweiten«, sagte sie etwas misstrauisch.
»Also ein ganz feiner Besuch!« Der Krieger verzog spöttisch einen Mundwinkel.
Euphena biss sich auf die Lippen. Alles, was sie sich an Worten zurechtgelegt und genau für diesen Moment einstudiert hatte, war wie weggeblasen! Sie saß da und wusste nicht, was sie tun sollte.
»Habt Ihr einen König oder einen Anführer oder etwas in der Art?«, fragte sie schließlich ein wenig verunsichert. Sie hatten sie nicht gleich umgebracht und auch noch nicht gefoltert, also riskierte sie es einfach. Nach ihrem Streit mit Helwyr war ihr ohnehin alles egal!
Der Krieger nickte.
»Ich verlange, ihn zu sprechen!« Euphena war bemüht, so selbstsicher wie möglich zu klingen.
Der Krieger sah sie scharf an. »Ihr seid nicht in der Position etwas zu verlangen!«
Euphena seufzte. Sie wollte all das hier möglichst schnell geklärt haben. Sobald sie eine Antwort auf ihr Gesuch erhalten hatte, durften die sie ihretwegen auch umbringen.
Der Krieger verzog seinen Mund zu einem grausamen Grinsen und ging vor ihr in die Hocke. Seine Augen bohrten sich in Euphenas. Von irgendwoher hatte er plötzlich ein Messer gezückt und hielt es ihr unter die Nase.
Euphena hielt erschrocken die Luft an.
»Ihr elende Bastarde!«, schrie Helwyr und spuckte dem Krieger mitten auf den Bart. Wie bei einem Raubtier zuckte sein Kopf zu Helwyr. Mit dem Handrücken schlug er ihm ins Gesicht und bedeutete einem anderen Aigidenkrieger ihn zu knebeln. Helwyr wehrte sich, so gut er konnte. Aber nach wenigen Augenblicken hatten sie ihm ein Seil
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