Hornjäger (German Edition)
Du hast keine Ahnung von meinem Leben! Seit Jahr und Tag reiße ich mir den Arsch auf, damit sich Leute wie du nicht ihre hochwohlgeborenen Fingerchen dreckig machen müssen! Ich habe bis jetzt nur für andere gelebt und ohne zu murren, alles getan, was man von mir verlangt hat, aber du bist ja nicht einmal in der Lage einen Tag zu verleben, ohne nicht ein ganzes Dorf auf dich zu hetzen!« Sein Gesicht schwebte so knapp vor ihrem, dass sie ihre Nasenspitzen beinah berührten.
Vor wenigen Tagen noch hätte sie sich darüber gefreut, jetzt aber machte sie sein Verhalten nur noch wütender!
»Dann geh doch einfach, wenn ich so eine Qual für dich bin!« Euphena stieß ihn zur Seite und trampelte den Weg weiter.
»Und wohin?!«, schrie ihr Helwyr nach. »Wir werden sie nie finden!«
Euphena blieb wie angewurzelt stehen. »Was?« Sie drehte sich um.
»Das sind doch nur Geschichten.« Helwyr ließ seine Hände sinken.
»Und was ist dann mit Nuori?« Euphena sah ihn herausfordernd an.
»Das ist sieben Jahre her. Nur weil Marezza einen Balg in die Welt gesetzt hat, heißt das noch lange nicht, dass ein Volk existiert ... geschweige denn ein goldenes Horn!«, brüllte Helwyr durch den Wald. Er taumelte leicht und griff sich wieder an den Kopf.
Euphena atmete tief durch und blinzelte eine Träne aus ihrem Auge. »Das glaube ich nicht!«
Helwyr sah sie traurig an. »Vielleicht solltest du aber langsam damit anfangen.« Er hockte sich mitten auf den Weg. »Kehr um Euphena, heirate den Baron und lebe wie hunderte andere Frauen auch! Aus dem Spiel ist ernst geworden und du wirst gerade besiegt!«
»Ist das dein Ernst?« Sie konnte es kaum fassen, das aus seinem Mund gehört zu haben. All die Mutmacherei, seine Unterstützung und ihre gemeinsamen Träume, all das, was sie die letzten Wochen vorangetrieben hatte, verpuffte vor ihr in diesem verfluchten Waldstück. Euphena kämpfte gegen ihre Tränen an und biss sich auf die Lippe. Dieses Urteil aus seinem Mund war vernichtender, als jede Beschimpfung und jedes Geschrei!
Mit fahrigen Fingern fuhr sie sich über die Augen. »Meinst du das ernst?«, fragte sie noch einmal. Aber Helwyr rührte sich nicht. Er lehnte einfach am Baum und würdigte sie nicht einmal eines Blickes.
»He, ich rede mit dir!« Euphena stieß ihn mit dem Fuß an. Helwyrs Oberkörper kippte schlaff zur Seite. Erschrocken kreischte Euphena auf. Nein, nein, nein! Das durfte nicht sein! »Helwyr!« Sie schüttelte ihn und schlug ihm ins Gesicht. Aber er rührte sich nicht.
Sie musste ihn von hier fortbringen! Irgendwohin, wo es Hilfe gab! Euphena schnappte sich seinen Arm und zerrte ihn Stück für Stück über den Waldboden zu Hestus.
Mit aller Kraft versuchte sie ihn hoch zu hieven, aber er war ihr viel zu schwer. Euphena schluchzte. Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen und nahmen ihr die Sicht. Sie musste ihm doch irgendwie helfen! Dann musste es eben auch ohne Pferd gehen! Sie packte seine Arme und schleifte ihn Stück für Stück den Weg entlang. Ihr war schon ganz schwindelig von der Anstrengung. Euphena blieb stehen.
Sie würde es nicht schaffen! Ihr Herz raste wie verrückt. All das hier! Fengus hatte recht gehabt! Außer Ärger zu machen, konnte sie rein gar nichts! Nicht einmal den Mann retten, den sie verdammt noch mal liebte! Euphena griff sich an den Kopf und sackte auf die Knie. Vor ihren Augen tanzten Sterne.
Sie spürte, wie ihre Wange am Erdboden aufschlug. Das Letzte, was sie sah, bevor sich ihre Augen schlossen, war eine Stiefelspitze, die vor ihr aus dem Gebüsch ragte.
E uphena spürte den gleichmäßigen Rhythmus von Schritten unter sich. Ihre Eingeweide schmerzten. Ihr Kopf pendelte kraftlos hin und her. Sie zwang sich, ein Auge zu öffnen. Euphena schwebte über felsigem Grund dahin, irgendwo rauschte Wasser. Rings um sie her, waren nur steile Felsen und bewachsene Steilhänge. Die Stiefel unter ihr stiegen beständig vorwärts, erkletterten Felsbrocken und suchten sich mit sicherem Tritt einen Weg die Schlucht hinauf. Euphena wollte sich wehren, sie wollte verlangen, dass man sie von der Schulter dieses Mannes ließ. Sie wollte wissen, wo Helwyr war und was jetzt geschehen würde, aber sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Arme hingen kraftlos zur Seite, während ihr Träger mit sicheren Schritten immer weiter und weiter stieg. Mit letzter Kraft hob Euphena den Kopf. Hinter ihr folgte das nächste Paar ausgetretener Stiefel. Mehr konnte sie nicht erkennen, bevor sich
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