Hornjäger (German Edition)
goldenen Horn des Aigidenkönigs vor Fengus stehst und ihm dabei zusiehst, wie ihm die Lade runterklappt.«
»Ich freue mich auf den Tag! Und dann kriegt hoffentlich auch Astos sein Fett ab. Dieser hinterhältige Mensch!«
Darauf schwieg Helwyr.
Hoch über ihnen thronte das Schloss Marezzas und ihres Gemahls. Ein Schotterweg führte in zwei Kehren den Schlossberg hinauf und endete in einer schmalen Zugbrücke, die das Gemäuer von der Straße trennte und so wenigstens ein bisschen Schutz vor möglichen Feinden bot. Auf einer Seite der Residenz gingen die Mauern direkt steil in den Fels über und mündeten nach mehreren Manneslängen im schwarzen See. Die anderen Seiten zeigten auf die Stadt. Euphena legte den Kopf in den Nacken, um besser sehen zu können. Sie war beeindruckt. Das hier war ganz anders gebaut, als die Arkadenschlösschen bei ihnen zu Hause. Hier lebte man mit der Gefahr und mit der Höhe. Sie schauderte. So faszinierend das auch war, wohnen wollte sie hier um keinen Preis.
»Gehen wir rauf und klingeln einfach mal an?«, schnaufte Euphena hinter Helwyr her.
»Ja. Das ist der erste Plan.« Er streckte seine Hand nach hinten und half ihr über zwei Felsstufen, in die eine Wasserrinne eingelassen war.
»Und wenn sie uns fortjagen?«
»Dann haben wir es wenigstens versucht und können das Ding«, er deutete auf den Ohrring in ihrer Hand, »getrost in einem Brunnen versenken.«
»Und wieso tun wir das nicht gleich?«
»Weil wir, falls ich dich daran erinnern muss, ehrliche und gesetzestreue Bürger sind, außerdem suchen wir nach Informationen und die finden wir wenn dann am ehesten im Schloss!«
»Und der Ohrring bietet uns einen Vorwand da hineinzukommen ...«, schnaufte Euphena zur Antwort.
»Sehr richtig! Allerdings wird man wichtige Informationen zur Landesverteidigung gegen Monster aus dem Westen kaum zwei verdreckten Landstreichern übergeben ... Wir haben also Glück, wenn wir es überhaupt durch dieses Tor da schaffen.« Helwyr zog sie das letzte Steilstück hinauf und ließ sie vor der schmalen Holzbrücke wieder zu Atem kommen.
»Ich frage mich, weshalb alle Burgen und Schlösser ausgerechnet am höchsten Punkt der Umgebung liegen müssen? Das macht doch auf Dauer echt keinen Spaß!« Euphena lehnte sich nach vorne, um ihre Lungen zu entlasten.
»Nun ja, ganz einfach; erstens wegen der besseren Übersicht auf das Umland und zweitens deswegen.« Er tupfte ihr spielerisch auf ihre von der Anstrengung geblähten Nasenflügel.
»Hm.« Euphena richtete sich auf. »Da ist wohl was Wahres dran. Nun denn ... willst du klingeln?«
Sie standen vor dem verschlossenen Tor der Residenz, hoch über der Stadt. Ein Großteil der grüngestrichenen Fensterläden war ebenfalls geschlossen, nur die Brücke, die auf den Felszahn des Schlosses führte, reckte sich ihnen einladend entgegen. Euphena wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. Das Haus wirkte auf sie offen und freundlich, schlicht und einfach wie eine solide Herrscherresidenz, aber ein wenig unsicher fühlte sie sich doch. Gräfin Marezza schien eine kluge Frau zu sein, aber gleichzeitig schien sie gefürchtet zu sein. Im einen Moment lieblich und volksverbunden und im nächsten einer unbarmherzigen Machtperson gleich, die bis zum Letzten kämpfen würde, ohne Rücksicht auf Verluste!
Wie auch immer. Schnell strich sich Euphena eine Haarsträhne hinter das Ohr, die der Wind in seiner Unbarmherzigkeit ihrer Frisur entrissen hatte - wenn man das überhaupt Frisur nennen konnte, was sie da mit ihren Haaren in Ermangelung anderer Hilfsmittel als eines Stoffstreifens gemacht hatte.
Helwyr schlenderte auf den eisernen Türklopfer zu und drehte sich wartend zu ihr um. Rasch wischte Euphena ihr Gesicht noch an ihrem Ärmel möglichst sauber und folgte ihm vors Tor. Wenn sie schon einer Gräfin begegnete, konnte sie wenigstens den Versuch unternehmen, nicht wie eine Gossendirne auszusehen. Auch wenn sie genau wusste, dass diese Anstrengungen wohl kaum von Erfolg gekrönt waren.
»Bist du so weit?« Helwyr betrachtete sie schmunzelnd.
»Ja. Versuchen wir es.«
Er hob den schweren Eisenring und ließ ihn zweimal auf sein Gegenstück fallen. Euphena hielt den Atem an.
Sie warteten einige Augenblicke, aber nichts tat sich. Verwundert blickten sie einander an. Dann versuchte es Helwyr erneut. Wieder nichts. Euphena seufzte, nahm den Ring in die Hand und hämmerte so fest sie konnte auf den eisernen Stutzen.
»Jaja, komm ja schon. Ihr
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