Hornjäger (German Edition)
einen Ohrring der Gräfin Marezza im Wald gefunden, den würden wir ihr gerne zurückgeben, bevor er noch Unheil anrichten kann!«
Seach seufzte und rieb sich die Schulter. »Ich habe zwar keine Ahnung, wer Ihr seid, aber wenn Ihr es schafft, mich zu überzeugen Euch zu helfen, sehe ich keinerlei Problem darin, Euch den Weg in Marezzas Privatarchiv zu ebnen. Allerdings ...« er streckte die Hand aus »müsste man mir mein Risiko ersetzen!« Er grinste verschlagen.
»Wir haben kein Geld. Wir kommen aber von Jyrsin, er meinte, Ihr wäret ein Freund.« Euphena sah ihn flehend an.
»Ja dann ...« Seach zuckte mit den Schultern. »Gehabt Euch wohl!« Er wollte sich an Helwyr vorbeidrängen, doch der drückte ihn mit einer Hand an die Wand.
»Einen Moment, Freundchen«, knurrte er. Fast behutsam legte sich Helwyrs Hand auf Seachs Schulter und mit einem Griff, der einem Apfel den Saft entlockt hätte, fixierte er ihn an der Wand.
»Hör mal, wir haben keine Zeit für Spielchen. Jyrsin meinte, du würdest uns helfen. Also bitte ich dich hiermit im Guten, das zu tun!«
»Wenn für mich nichts dabei rausspringt, dann ist das meine Antwort!« Seach spuckte Helwyr vor die Füße.
Euphena seufzte. Das hätte er nicht tun sollen! Das hätte er wirklich nicht tun sollen! Sie schüttelte den Kopf. Jetzt würden sie es auf Helwyrs Art machen.
Seach keuchte plötzlich erschrocken. Helwyr hatte mit seinem Daumen den Druck auf dessen Schlüsselbein erhöht.
»Also gut, mein Freund. Die Spielregeln sind ganz einfach: Du hilfst uns, dafür darfst du deine Knochen behalten.« Er sah zu Euphena. »Das ist doch fair, nicht wahr?«
»Oh durchaus! Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass wir noch weiterspielen, wenn wir nicht bekommen, was wir wollen.« Euphena trat näher an Seach heran. »Nasen ... Finger ... Rippen und Beine. Wird oft überbewertet, meinst du nicht auch?«, fragte sie mit einer Unschuldsmiene an Helwyr gewandt.
»Ja, werden sie.« Er lächelte grausam.
Seach wimmerte immer lauter. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und seine Augen zuckten zwischen Euphena und Helwyr hin und her.
»Was meinst du, schließen wir eine Wette ab? Bei welchem Körperteil, glaubst du wird er singen?« Helwyr erhöhte den Druck noch ein bisschen.
»Ich nehme den linken Zeigefinger, wenn es dir recht ist?« Unbeteiligt betrachtete Euphena ihre Fingernägel.
Seachs Miene war verzerrt. Es würde nicht mehr lange dauern, bis auch das letzte Fleckchen Trotz aus seinen Augen verschwunden war. Er war vielleicht darin begabt sich sein Leben bei jeder Gelegenheit ein bisschen besser zu machen, aber mutig war er ganz offensichtlich nicht. Er biss sich auf die Lippe und überlegte fieberhaft hin und her.
»Einverstanden! Sollte uns dann auf Dauer der Spaß am Knochenbrechen vergehen, hätte ich auch noch ein Messer dabei ... es ist zwar ein bisschen stumpf, aber für so einen Grünschnabel sollte es reichen.« Helwyr grinste dem Jungen ins Gesicht und erhöhte den Druck auf sein Schlüsselbein noch ein kleines bisschen. Euphena fragte sich, wer wohl zuerst nachgab, Seach oder sein Knochen.
»Hhrgghh ... ist ja schon gut!«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
Augenblicklich ließ ihn Helwyr los. Seach sackte in sich zusammen, Tränen standen ihm in den Augen und seine Unterlippe zitterte leicht.
»Schon gut, schon gut!« Er hob abwehrend die Hände und wischte sich die Augen an seinem Ärmel trocken. »Ich helfe Euch! Aber nur weil Marezza ohnehin nicht zuhause ist!« Seach schniefte. Jetzt hatte er mehr von einem beleidigten Kätzchen, als von einem Raubritter im Kleinformat. »Ich bringe Euch an den Wachen vorbei, aber den Rest müsst Ihr selbst erledigen, ich will da nicht mit drin stecken, verstanden?!«
Euphena nickte.
»Gut dann folgt mir.« Er warf Helwyr einen unsicheren Blick zu. Der grinste frech zurück. Seach wuselte einen Gang entlang, drehte ihnen aber nie ganz den Rücken zu. Er öffnete eine niedrige Seitentür, stieg ein paar Stufen hinunter und führte sie durch die Dienstbotenräume der Residenz. Mit ernster Miene schritt er zwischen den Wachen zu den Hoheitsgemächern durch und bedeutete Euphena und Helwyr, ihm zu folgen. Die Männer in Zierrüstung betrachteten ihr kleines Grüppchen interessiert, ließen sie aber problemlos passieren. Gemeinsam bogen sie um die Ecke, um aus dem Blickfeld der Soldaten zu kommen und folgten dem schmalen Läufer bis an das Ende des Ganges.
»Durch diese Tür kommt ihr in das
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