Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
er nicht widerstehen, einen schnellen Blick auf den Mann zu werfen, der ihn vielleicht kaufen würde. Der Kerl, der nach dem Preis gefragt hatte, war klein, fett und dunkelhäutig und hatte einen schwarzen Schnurrbart und fiese Rattenaugen. Ein cafuzo. Halb Afrikaner, halb Brasilianer. Er trug Jeans und ein gestreiftes Hemd, das über seiner Wampe spannte, und ein Blick genügte, um Matt wissen zu lassen, dass er nicht für sich selbst kaufte. Er war ein Agent. Das war schlecht. Wenn der Mann ein Farmer oder Holzfäller oder auch ein Bandit gewesen wäre, hätte Matt wenigstens einen Anhaltspunkt gehabt, wohin sein neuer Besitzer ihn bringen würde. Aber da dieser Mann im Auftrag eines anderen kaufte, konnte er überall landen.
„Der Preis beträgt zweihundert Dollar.“
„Der Junge ist nicht die Hälfte wert.“
„Wann hast du das letzte Mal einen Jungen in diesem Zustand gesehen?“
„Woher hast du ihn?“
„Das geht dich nichts an. Kauf ihn, dann sagt er es dir vielleicht. Aber du kriegst ihn nicht für weniger als zweihundert.“
„Hundertzwanzig.“
Der Sklavenmarkt fand in einem Dorf statt, das eher an ein Gefängnis oder eine Militäranlage erinnerte. An einem Ende stand eine Kirche mit einem dekorativen Dach und einem Glockenturm, auf dem ein Kreuz montiert war. Alle anderen Gebäude waren nahezu identisch: lang, weiß gestrichen, flach und mit roten Schindeln gedeckt. Sie standen so ordentlich wie auf einem Monopolybrett um eine große Rasenfläche herum, die so kurz gemäht war, dass es aussah, als wäre die Fläche nur grün gestrichen worden. Auf diesem Rasen hatte man die Verkaufsplattform errichtet. Es war etwa ein Dutzend Kaufinteressenten gekommen. Die Dorfbewohner hielten Abstand. Matt hatte einen Blick auf einen erhaschen können, der anscheinend einen schmutzigen weißen Schlafanzug trug und an einem über die Schulter gelegten Stab zwei Eimer transportierte, und einen anderen, der eine Schubkarre schob. Aber sie wollten mit dieser Sache nichts zu tun haben. Das Dorf war vom Dschungel umgeben. Es war jedoch nicht der üppige und geheimnisvolle Regenwald, den Matt einmal im Fernsehen gesehen hatte, sondern flaches, dunkelgrünes Gestrüpp, das sich unendlich weit in alle Richtungen erstreckte.
„Hundertfünfzig. Das ist mein letztes Angebot.“
„Hundertachtzig.“
„ Hundertfünfundsiebzig.“
Die beiden Männer gaben sich die Hand.
Matt beobachtete, wie eine Rolle amerikanische Dollar auftauchte und eine Handvoll davon den Besitzer wechselte. Er wusste, dass das amerikanische Geld fast überall genutzt wurde, weil die einheimische Währung – der Real – nahezu wertlos war. Der verhungerte Junge neben ihm stöhnte kurz auf und fiel in Ohnmacht. Sein Besitzer fluchte und schlug auf ihn ein. Die Käufer lachten. Der Preis des Jungen hatte sich gerade halbiert, und das, obwohl er von Anfang an nicht im zweistelligen Bereich gelegen hatte.
Was Matt betraf, hatte er jetzt einen neuen Besitzer. Er trug ein Seil um den Hals und musste sich gefallen lassen, wie der Verkäufer seine Leine an den Käufer übergab – als wäre er ein Hund. Dann wurde er vorwärtsgezerrt, von der Plattform und auf den Rasen. Einen kurzen Augenblick stand er neben dem Mann, der ihn verkauft hatte.
Lohan, ein Sohn des kriminellen Triadenführers, der sich selbst König des Berges nannte, hatte Scarlett in Hongkong beschützt und war bei ihrer überstürzten Flucht aus dem Tai Shan Tempel irgendwie an Matts Seite gelandet.
Lohan zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid, Matt“, sagte er. „Aber ich will überleben.“
Matt warf ihm ein Schimpfwort an den Kopf.
Der cafuzo ruckte so heftig am Seil, dass Matts Kopf herumgerissen wurde und er mitgehen musste. Hinter ihm zählte Lohan sein Geld und der Verkauf ging weiter.
Am Dorfrand wartete ein Lastwagen mit Fahrer. Matts neuer Besitzer benutzte ein Ende des Seils, um ihn damit auf den Rücken zu schlagen – eine freundliche Aufforderung, auf die Ladefläche zu klettern. Dort saß bereits ein weiterer Junge in seinem Alter, der mit einer Fußfessel angekettet war. Der Junge war Brasilianer, hatte lockiges Haar und ein pockennarbiges Gesicht. Er trug Jeans und ein T-Shirt mit Werbung für Skol-Bier. Matt fragte sich beiläufig, ob es diese Sorte wohl noch gab. Er hockte sich hin, denn auch sein Knöchel wurde an der Ladefläche festgekettet. Niemand hatte mit ihm gesprochen, aber das war ziemlich normal. Er war Besitz – sonst nichts. Er hätte
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