Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
gern um Wasser gebeten. Es war ein heißer Nachmittag, die Luft war drückend, und er spürte, wie ihm unter den Kleidern der Schweiß herunterlief. Für ein Bad oder eine Dusche hätte er alles gegeben, aber es war sinnlos, danach zu fragen. Wenn sie ihn in der Küche arbeiten oder am Tisch bedienen ließen, würden sie wollen, dass er vorzeigbar aussah. Wenn sie ihn aber für die Arbeit im Freien gekauft hatten, würden sie ihn so lassen, wie er war. Das würde er noch früh genug herausfinden.
„Wie heißt du?“, flüsterte er dem anderen Jungen zu.
Der spuckte auf den Wagenboden. Das war die ganze Antwort, die Matt bekam.
Der Mann setzte sich in die Fahrerkabine und einen Moment später fuhren sie durchs Dorf. Jeder Einheimische, der in den Weg geriet, wurde mit wildem Hupen verjagt. Sie fuhren etwa eine Stunde lang über holprige Straßen. Matt wurde so auf der Ladefläche herumgebeutelt, dass ihm die Fußfessel die Haut vom Knöchel schürfte. Er konnte nicht hinaussehen, denn der Mann hatte eine Plane über den Aufbau geworfen und zwischen der Ladefläche und der Kabine war eine Bretterwand. Bei jeder Kurve stießen Matt und der brasilianische Junge zusammen oder landeten auf dem groben Bretterboden der Ladefläche. Matts Hände waren immer noch gefesselt und ihm blieb nichts anderes übrig, als die lange Fahrt schweigend über sich ergehen zu lassen. Das Schlimmste daran war, dass er keine Ahnung hatte, wo sie ihn hinbrachten oder was ihn erwartete, sobald er dort war. Der andere Junge schwieg verstockt und schien sich keine Gedanken zu machen.
Endlich wurden sie langsamer und hielten dann ganz an. Matt hörte, wie jemand etwas rief. Dann fuhren sie wieder ein paar Meter und stoppten erneut. Der Motor wurde abgestellt. Es dauerte noch einen Moment, bis die Plane zurückgeschlagen wurde und das letzte Sonnenlicht des Tages, durch den Wald der Umgebung grünlich getönt, auf sie fiel.
Das Erste, was Matt sah, waren Männer mit Maschinengewehren, die aber keine Uniformen trugen, sondern Jeans und schwarze Hemden; einige hatten Bärte, ein paar trugen Baseballkappen. Matt war in einer Art Innenhof gelandet und musste sofort an ein Kloster denken, weil ihn die beiden gemauerten Durchgänge mit den Räumen dahinter an Kreuzgänge erinnerten. Der Platz war von einem hohen Palisadenzaun umgeben, und obwohl sie mitten im Urwald waren, gab es anscheinend Strom, denn er sah Bogenlampen, Überwachungskameras und einen Funkmast. Der Fahrer kam nach hinten und löste seine Fußfessel. Als Matt vom Laster stieg, bemerkte er ein großes Haus mit Fensterläden, einer Veranda und – er glaubte es kaum – einer Spielecke mit Schaukel und Rutsche. Hier lebte jemand, der sehr reich und gut geschützt war. Matt hatte inzwischen schon mehr als ein Dutzend bewaffneter Wachen gezählt.
Der cafuzo, der ihn gekauft hatte, kam mit einem Messer und zerschnitt grob das Seil, mit dem Matts Hände gefesselt waren. Matt rieb seine Handgelenke, um die Blutzirkulation wieder anzuregen. Ihm fiel auf, dass ihn einige der Männer anstarrten, und ihm gefiel gar nicht, was er in ihren Augen sah. Sie wussten etwas, das er nicht wusste, und was immer es war, würde ihm bestimmt nicht gefallen. Er warf einen Blick zur Seite. An einer Seite der Anlage wurde offenbar gearbeitet. Dort stapelten sich Stahlzylinder und Plastikeimer. Hinter einer Glastür beugten sich Männer in weißen T-Shirts über lange Tische voller Laborgeräte: Glaskolben, Bunsenbrenner und verschiedene Röhrchen mit Chemikalien.
Drogen.
Matt erkannte sofort, wo er gelandet war. Das Holzhaus war das Domizil von einem der vielen Drogenbarone, die auch jetzt noch zu den reichsten und mächtigsten Männern Brasiliens gehörten – und hier begann das Drogengeschäft. Wer immer hier lebte, hatte seine eigene Armee und seine eigenen Wissenschaftler, die reines Kokain erzeugten, das dann in ganz Süd- und Nordamerika vertrieben wurde. Die einzige Frage war jedoch, was er und der andere Junge damit zu tun hatten. Matt hatte den grässlichen Verdacht, dass man sie wohl nicht hergebracht hatte, damit sie die Anlage sauber hielten.
Die beiden standen am Lastwagen, vertraten sich die Beine und wichen den Blicken der Männer aus, die sie prüfend anstarrten. Es wurde bereits dunkel, war aber immer noch drückend heiß, und es wehte kein Lüftchen. Matt hörte das Sirren eines Moskitos dicht neben seinem Ohr, doch er widerstand der Versuchung, danach zu schlagen. Er war fest
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