Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
Schweigen.
„Es ist zu gefährlich für dich, über Land zu reisen. Überall sind Kontrollposten. Aber wir können mit Angelo reden. Er hat das Boot. Er kann dich die Küste hinauf nach Rom bringen, wo wir Freunde haben, die dir Unterschlupf gewähren werden. Aber du musst hier so schnell wie möglich verschwinden.“
Pedro versuchte, das alles zu verarbeiten. Das Problem war, dass alles viel zu schnell ging; erst das Gefängnis, dann der Ausbruch, Giovanni, der Albtraum in den Rohren, die Stadt und jetzt diese Familie, die im Dämmerlicht in einer leeren Wohnung saß und ihm sagte, was er zu tun hatte. Nichts davon ergab einen Sinn. Neapel war eine europäische Großstadt, in der die Leute in Kunstausstellungen und schicke Restaurants gingen. Er hatte Bilder davon in Zeitschriften gesehen. Aber dieses Neapel schien nichts anderes zu sein als ein riesiges Flüchtlingslager – und diese ganzen Dinge, von denen der Mann gesprochen hatte … Überschwemmungen und Kriege. Was immer Francesco ihm erzählte, Pedro hatte ferngesehen, als er mit Matt und Richard in Nazca war.
Sie hatten Zeitung gelesen und im Internet gesurft. In all diesen Medien war von dem, was hier geschah, keine Rede gewesen. Wieso waren die Universitäten geschlossen? Wie konnte jemand, der so jung war wie Giovanni, als Küchenjunge arbeiten müssen? In Lima war so etwas denkbar, aber doch nicht hier. Log dieser Mann ihm etwas vor? Dazu hatte er eigentlich keinen Grund und er schien ihm wirklich helfen zu wollen. Aber nichts von dem, was er gesagt hatte, passte zu der Welt, die Pedro kannte.
Eines war jedenfalls sicher. Er konnte nicht weg. Nicht allein.
„Ich muss mit Scott reden“, sagte er.
Giovanni hatte nichts von der Unterhaltung verstanden, aber bei der Erwähnung dieses Namens schaute er erschrocken auf.
„Scott?“, fragte Francesco.
„Er ist mit mir gefangen genommen worden. Er ist mein Freund. Ich kann ohne ihn nirgendwohin gehen. Ich kann auf keinen Fall ohne ihn abreisen.“
„Ist er in der Burg?“
„Ja. Er war in meiner Zelle, aber dann haben sie ihn weggebracht. Ich muss zurück zu ihm …“
Pedro hatte die zweite Schale Suppe nicht angerührt, die inzwischen kalt war. Obwohl er immer noch Hunger hatte, schob er sie den beiden kleinen Mädchen hin, die kurz zu Francesco aufschauten, um seine Erlaubnis einzuholen. Er nickte und die beiden begannen, gierig zu essen, und bearbeiteten die Schale mit ihren Löffeln.
„Du bist wie durch ein Wunder aus dem Castel Nuovo ausgebrochen und nur davongekommen, weil du meinen Neffen getroffen hast. Er hat dich quer durch die Stadt an den einzigen halbwegs sicheren Ort gebracht. Und jetzt willst du zurück?“ Francesco lachte auf. „Du musst verrückt sein.“
Giovanni beugte sich vor und bombardierte seinen Onkel mit Fragen. Francesco gab kurze Antworten. Pedro hörte den Namen Scott und sah, wie Giovanni die Stirn runzelte. Die beiden redeten eine gefühlte Ewigkeit miteinander, doch dann richtete Francesco seine Aufmerksamkeit wieder auf Pedro. „Dieser Freund von dir ist in deinem Alter? Ein dunkelhaariger Junge? Amerikaner?“
„Ja.“
Giovanni legte wieder los, aber Francesco hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Du kannst nicht zu ihm“, sagte er. „Du irrst dich, was ihn betrifft. Er ist kein Gefangener in der Burg. Er ist Gast. Er schläft in einem schönen Zimmer mit Bettwäsche und allem, was man sich wünschen kann. Tagsüber geht er in Neapel spazieren und obwohl er von Wachen begleitet wird, sind sie nur zu seinem Schutz da. Er kann gehen, wohin er will.“
„Nein, Sie müssen sich irren.“ Pedro schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich. Das ist nicht Scott.“
„Ich irre mich nicht.“ Francesco war todernst. Er legte die Fäuste auf den Tisch und sprach leise und eindringlich, als wollte er nicht, dass der Rest der Familie mithörte. „Hör mir zu, Pedro“, sagte er. „Giovanni arbeitet in der Küche, aber manchmal muss er auch im Speisesaal servieren. Das hat er mir gerade erzählt. Er war vorgestern Abend dort, zu einem Festessen für einen Haufen wichtiger Leute, bei dem es das feinste Essen und guten Wein gab. Es war auch ein Mann aus Amerika da, irgendein hohes Tier. Aber er saß nicht am Kopfende der Tafel. Weißt du, wer da saß? Es war Scott Tyler. So heißt er doch, oder? Er trug eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd. Und sie alle haben ihre Gläser gehoben, um auf sein Wohl zu trinken. Da hat Giovanni seinen Namen
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