Horror-Hochzeit
versuchte sie es. Hastig lief sie auf die Tür zu. Ihr dünner Morgenmantel schwang dabei. Der Stoff verfing sich an einer Kante des Himmelbetts und riß mit einem knirschenden Geräusch entzwei.
Lucienne war es egal, sie hatte nur die Tür im Blickfeld, probierte die Klinke, die sich nach unten bewegen ließ und stellte fest, daß Rosa tatsächlich abgeschlossen hatte.
Die junge Französin hörte sogar noch die sich allmählich entfernenden Schritte der Frau. Danach trat Ruhe ein.
Nur äußerlich, denn in Luciennes Innern sah es anders aus. Sie war regelrecht aufgewühlt. In ihrem Körper tobten Gefühle, die sie kaum mehr unter Kontrolle halten konnte. Sie ärgerte sich jetzt darüber, sich nicht stärker gewehrt zu haben, aber es war zu spät, sich irgendwelche Vorwürfe zu machen Sie mußte die Tatsache akzeptieren, in dem Schloß, in dem sie ihr weiteres Leben verbringen sollte, eine Gefangene zu sein.
Mit schleppenden Schritten ging sie zurück zum Bett und ließ sich darauf nieder.
Ein paarmal schüttelte sie den Kopf, sprach Worte, die sie selbst nicht verstand, erhob sich und ging zu einem der drei Fenster. Als letzte Möglichkeit konnte sie noch die Scheibe einschlagen, aber diese Schwäche wollte sie nicht zeigen.
Es mußte auch einen anderen Ausweg geben Wenn nur Frederik in der Nähe gewesen wäre. Dabei glaubte sie fest daran, daß ihr Rosa einen Bären aufgebunden hatte. Frederik befand sich bestimmt im Haus, er war nicht verschwunden Nein, das konnte sie sich einfach nicht vorstellen. Er hätte ihr etwas gesagt.
Während dieser Gedankengänge fanden ihre Finger die herabhängende Kordelschnur, zogen daran, so daß sich der Vorhang allmählich öffnen konnte.
Mit einem leisen Sirren schwang er zu Seite, so daß die Scheibe frei vor den Blicken der jungen Braut lag. Ihr Atem streifte das Glas, und es beschlug.
Lucienne wischte die Stelle frei, so daß sie nach draußen schauen konnte.
Die langen Scharten der Nacht lagen über dem großen Schloßpark. Sie waren dennoch nicht so dunkel, denn sie wurden durch die helle Schneedecke ein wenig grau und durchlässig gemacht, so daß die hohen, ein großes Rondell umgebenen Bäume klar und scharf hervorstachen. Auf Lucienne wirkten sie wie Riesen mit gewaltigen Armen, auf denen eine weiße Schicht aus Schnee lag. Seltsam klar und weitsichtig war die Luft trotz der Nacht. Schloß und Park lagen in einer nahezu gespenstischen Stille. Wenn sie den Kopf drehte, konnte sie rechts zwischen den Bäumen den der kleinen Kirche erkennen.
Diese Kapelle gehörte ebenfalls zum Besitz der Durhams. Am morgigen Tag sollte dort die Trauung stattfinden.
Luciennes Gedanken wurden pessimistisch, als sie sich mit diesem Thema beschäftigten Sollte sie sich wirklich trauen lassen und ihr Leben so radikal ändern? Oder war es besser, die Hochzeit noch länger hinauszuschieben? Wenn sie ein Kind normaler Eltern gewesen wäre, hätte es da keine Probleme gegeben Aber was war in der Presse nicht alles über diese Hochzeit schon geschrieben worden Man erwartete zahlreiche Gäste. Unter ihnen befanden sich Adelige, Industriekapitäne und Manager. Natürlich durften auch die Reporter der einschlägigen Blätter nicht fehlen Jedenfalls war die Hochzeit in diesem Winter das herausragende gesellschaftliche Ereignis auf der Insel. Sie konnte nicht mehr zurück.
Höchstens zu ihrem Bett, und Lucienne hatte sich bereits halb gedreht, als sie den Schatten unten im Park sah. Sofort blieb sie stehen. Vor Minuten - oder waren schon Stunden vergangen? Da hatte sie das Heulen vernommen. Dieser Laut war ebenso gegenwärtig gewesen, wie die Gestalt im Park.
Sie rannte über den frischen Schnee!
Sehr genau schaute die junge Braut nach, und sie erkannte, daß es sich bei ihm um einen Menschen handelte. Aber weleher Mensch lief oder sprang wie ein Tier?
So geduckt, so abgehackt, nur mit einer Jacke und einer Hose bekleidet. Sie schüttelte den Kopf, schaute auf die kleinen glitzernden Kristalle, die der Mann bei seinem Lauf in die Höhe schleuderte, bis er plötzlich stehenblieb.
Nicht weit von dem großen Eingangsportal entfernt hatte er angehalten, warf seinen Kopf in den Nacken, so daß Luciennes Blick nun auf sein Gesicht fallen konnte.
Sie erschrak!
Gleichzeitig begann sie zu zittern, denn sie wollte nicht wahrhaben, was sie dort präsentiert bekam. Das war ihr Verlobter?!
Was machte Frederik im Schnee? Dazu mitten in der Nacht. Leider war die Distanz zu groß, so daß die Braut
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