Horror-Horoskop
Paris gefahren war, um diese Tat zu vollbringen.
Nichts geschah ohne Grund oder Motiv. Auch Tanith hatte sterben müssen, weil sich etwas in ihrem Besitz befand, das Asmodis unbedingt hatte haben wollen.
Eine Kugel…
Für eine Wahrsagerin gehörte sie praktisch zu den Arbeitsgeräten, aber diese Kugel war etwas Besonderes gewesen. Es gab Zeiten und Strömungen, die Tanith als besonders günstig hatte errechnen können. Wenn sie sich dann auf ihre Kugel konzentriert hatte, war es ihr möglich gewesen, ihren Geist auf die Reise zu schicken. Sie konnte in einer Zwischenwelt mit anderen Geistgestalten und längst Verstorbenen Kontakt aufnehmen, und so war es ihr auch gelungen, eine Verbindung zu dem längst verstorbenen Nostradamus zu bekommen. Er hatte ihr in manchem eine Hilfestellung gegeben, doch nach dem Mord war die Kugel geraubt worden.
Der Teufel hatte sie.
Aber es gab ein Gegenstück zu ihr. Der Kelch des Feuers. Und der hatte sich in meinem Besitz befunden. Kelch und Kugel passten zusammen. Sie bildeten eine Einheit. Das hatte ich später feststellen müssen, als ich Sheila aus dem Vorhof der Hölle zurückholen wollte. Es war eine Tat gewesen, die ich nie vergessen würde. Mein Kreuz, der Kelch und die tote Tanith hatten mir den Weg in das Unsichtbare eröffnet. Ich hatte die Grenzen überwinden können und war eingegangen in das Zwischenreich, wo sich schreckliche Szenen abspielten. Auf dem Rückweg hatte Tanith den Kelch an sich genommen, weil sie beides haben wollte. Kugel und Kelch.
Es war mir nicht gelungen, an die Kugel heranzukommen weil sie einen furchtbaren Bewacher besaß. Den tödlichen Golem. Ebenfalls vom Satan eingesetzt, und so besaß der Teufel die Kugel und die tote Tanith, die nicht im direkten Jenseits existierte, sondern in der Zwischenwelt, dem Kelch. Es stand weiterhin unentschieden.
Jetzt meldete sie sich plötzlich wieder, und ich war fasziniert, als ich auf ihr Gesicht schaute. Das über dem Tisch schwebende Schwert vergaß ich, ich sah nur Tanith, die noch so aussah wie zu Lebzeiten, denn ihr Haar schimmerte in dem gleichen Rot, und auch das weiche Frauengesicht kannte ich so von früher her.
Allein die Augen schienen mir einen anderen Ausdruck zu besitzen. Sie kamen mir vor, als hätten sie Schlimmes und Schreckliches gesehen, so weit geöffnet waren sie.
Endlich hatten auch die anderen gesehen, wessen Bild sich dort abzeichnete, und ich hörte Fernando Crion flüstern. »Wer… wer ist das?« hauchte er.
»Eine Wahrsagerin«, erklärte ihm Bill, um sich danach an mich zu wenden. »Verflixt, John, was kann das bedeuten?«
»Keine Ahnung.«
»Kannst du sie fragen?«
»Ich versuche es.«
Man konnte dieses »Fragen« nicht als ein normales Sprechen bezeichnen. Wer mit den Toten in Kontakt treten wollte, musste dafür bestimmte Regeln erfüllen. Er konnte kein normales akustisches Zweiergespräch führen, sondern war gezwungen, auf geistigem Wege eine Verbindung zu schaffen.
Das tat ich. Ich konzentrierte mich auf das Gesicht mit den großen Augen. Wir verständigten uns durch Blicke. Ihre Pupillen schienen magnetisch zu wirken. Ich jedenfalls fühlte mich von ihnen angezogen. Ich schickte meine Gedanken auf die Reise und formulierte sie zu einem ersten Gruß. »Ich freue mich, dass du noch existierst, Tanith…«
Ich hörte ihr Lachen wie einen fernen Glockenklang in meinem Gehirn widerklingen. »Ja, ich lebe noch, aber in und auf einer anderen Ebene als ihr Menschen…«
»Und du besitzt noch den Kelch?«
»Ja, wobei ich nach wie vor auf die Kugel warte…«
»Tut mir leid. Ich habe es damals nicht geschafft…«
»Das weiß ich, John. Es soll dir auch kein Vorwurf gemacht werden, aber ich sehe düstere Wolken am Horizont. Du wirst es schwer haben, gegen deine Gegner zu bestehen. Nostradamus und ich haben uns gefunden. Unsere Geister schlossen sich kurz. Ich weiß alles über dieses Horoskop und wie gefährlich es ist.«
»Dann sag es bitte.«
»Du musst mir zuhören, John.« Ihre Stimme hatte einen noch ernsteren Klang bekommen. »Dieses Horoskop, das von Nostradamus stammt, ist beeinflusst worden. Du hast selbst einen Blick in die Zeit hineinwerfen können, und jeder, der zuviel über diese Dinge weiß, gerät in den Bann dieser Voraussagung, die sehr schlimm werden kann…«
»Für wen?«
»Nicht allein für die Allgemeinheit, John, auch für den einzelnen, und damit meine ich dich. Ich habe in diesem Horoskop dein Schicksal gelesen. So wie es sich erfüllen
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