Hostage - Entführt
Adresse ein. So was hatte er schon häufig erledigt – er wusste, was gefragt war. Er würde nach Schwachstellen suchen. Die ließen sich zu Hause immer finden. Er würde Kontoauszüge abschreiben, nach Pornos und Drogen stöbern, nach alten Liebesbriefen und S/M-Spielzeug, nach Rezepten und Disketten. Vielleicht gab's einen Bericht vom Arzt, der eine Herzkrankheit feststellte. Oder die Stimme einer verheirateten Geliebten auf dem Anrufbeantworter. Es konnte alles Mögliche sein. Irgendwas fand sich immer.
»Ist er zu Hause?«
»Hörst du keine Nachrichten?«
Marion schüttelte den Kopf.
»Er ist nicht zu Hause, und ich weiß nicht, wann er kommt. Also sei darauf vorbereitet.«
»Und wenn er mich überrascht?«
Howell blickte zur Seite, fällte eine Entscheidung und sah Marion wieder an.
»Wenn er dich erwischt, bring ihn um.«
»Gut.«
»Hör zu – wir wollen nicht, dass er stirbt. Wir wollen ihn in der Hand haben. Benutzen. Aber wenn er dich ertappt, blas ihn weg.«
»Und danach? Wenn ihr ihn benutzt habt?«
»Das bestimmt Palm Springs.«
Marion war damit einverstanden. Manchmal ließ man die Leute am Leben, weil man sie immer wieder gebrauchen konnte, aber meistens durfte er seine Arbeit vollenden. Und er liebte die Vollendung mehr als alles andere.
»Hast du meine Pager- und meine Handy-Nummer?«, fragte Howell.
»Ja.«
»Gut. Gib mir auf dem Pager Nachricht, wenn du fertig bist. Egal, ob du was findest – halt mich auf dem Laufenden.«
»Und wenn sich bei ihm nichts findet?«
»Dann brechen wir in sein Büro ein. Das wird schwieriger. Er ist Chef der Polizei.«
Howell stand auf und verließ den Laden ohne ein weiteres Wort.
Marion sah zu, wie der schicke Mercedes in der zunehmenden Dämmerung verschwand, und blickte dann wieder auf die Fliege. Sie lag ohne Beine auf der Seite und rührte sich nicht. Er tippte sie an. Der heile Flügel vibrierte.
»Arme Fliege«, sagte Marion, zupfte den Flügel sorgfältig aus und machte sich an die Arbeit.
8
Freitag, 19:40
Talley
Die Hubschrauber über York Estates schalteten die Scheinwerfer ein und wurden zu strahlenden Sternen. Ohne Tageslicht auskommen zu müssen gefiel Talley nicht. Der Einbruch der Dunkelheit verändert das Bewusstsein von Geiselnehmern und Polizisten. Täter fühlen sich im Dunklen sicherer, besser versteckt und mächtiger. Die Nacht lässt ihre Fluchtfantasien blühen. Das wissen die Polizisten, die sie umstellt haben, und mit steigender Anspannung sinkt ihre Leistungsfähigkeit. Dunkelheit ist bei Geiselnahmen ein wesentlicher Faktor für tödliche Überreaktionen.
Talley stand neben seinem Wagen und trank eine Cola light, während seine Leute ihm Bericht erstatteten. Sie hatten Rooneys Arbeitgeber aufgetrieben. Der glaubte, den unbekannten Dritten identifizieren zu können, und war bereits zum Tatort unterwegs. Walter Smiths Frau hatten sie noch nicht ausfindig gemacht. Rooneys Bewährungshelfer von der Ant Farm machte einen Wochenendtrip nach Las Vegas und war nicht zu erreichen. Gerade hatte ein Heimservice zehn große Pizzen gebracht – fünf davon vegetarisch, fünf mit Fleisch –, leider ohne Servietten. Die eingehenden Informationen überstürzten sich, und Talley begann langsam, die Übersicht zu verlieren. Dabei würden noch viel mehr auf ihn einprasseln. Er fluchte, dass die Sheriffs noch nicht da waren.
Barry Peters und Earl Robb kamen von ihrem Streifenwagen angetrabt. Robb hatte eine Taschenlampe in der Hand.
»Mit der Telefongesellschaft ist alles geregelt, Chief. Nach ihren Unterlagen führen sechs Leitungen ins Hans. Vier davon stehen im Telefonbuch, die beiden anderen nicht. Alle sechs sind in beide Richtungen blockiert, wie gewünscht. Außer Ihnen kann niemand anrufen, und von drin erreicht man nur Ihr Handy.«
Talley spürte eine gewisse Erleichterung. Jetzt musste er nicht mehr befürchten, dass ein Knallkopf bei den Smiths anrief und Rooney dazu brachte, die Geiseln umzubringen.
»Gut, Earl. Haben wir von der Autobahnpolizei Verstärkung bekommen?«
»Aus Santa Clarita – vier Leute in zwei Wagen.«
»Sie sollen mit den anderen das Gelände umstellen. Lass das Jorgenson machen. Der weiß, was ich Rooney gesagt habe.«
»Ja, Sir.«
Robb trabte davon, während Peters seine Taschenlampe anknipste und zwei Grundrisse beleuchtete, die auf Schreibmaschinenpapier gezeichnet waren.
»Die hab ich zusammen mit den Nachbarn gemacht, Chief. Das ist der erste Stock, das hier das
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