Hostage - Entführt
Mal – nur flüchtig, obwohl er mehr wollte. Dann ging sie rasch in die leere Wohnung. Amanda übernachtete bei ihrer Freundin Connie, Jane hatte ihr nicht erzählt, dass sie am Abend ausging. Geschweige denn, dass sie um diese Zeit zurück wäre. Das war eine Lüge gewesen.
Am nächsten Tag färbte sie sich die Haare tiefrot, fast schwarz, und fragte sich, ob sie jetzt jünger aussah. Und was Jeff davon halten würde.
Alles, was am Abend zuvor geschehen war, hatte sie als Betrug empfunden.
»Erde an Raumschiff Mom?«
Jane Talley tauchte auf und sah ihre Tochter an.
»Entschuldige.«
»Woran hast du gedacht?«
»Ob deinem Vater meine Haare gefallen.«
Amandas Miene verfinsterte sich.
»Das kann dir doch wirklich egal sein!«
»Na gut. Ich hab mich gefragt, ob ihm der ganze Mist um die Ohren fliegt. Gefällt dir das besser?«
Sie waren ins ›La Chine‹ gegangen, ein vietnamesisch-thailändisches Restaurant in einem Einkaufszentrum an der Autobahn, und hatten ›Pho Ga‹ bestellt. Das war eine Glasnudelsuppe. Und gebackene Shrimps. Das waren – nun ja – gebackene Shrimps. Sie gingen oft dorthin, manchmal mit Jeff. Jane hatte mit ihrer Reisbeilage rumgespielt, aber keinen Happen gegessen. Jetzt legte sie die Gabel weg.
»Ich sag dir was.«
»Können wir nicht einfach nach Hause fahren? Ich hab sowieso keine Lust, hier zu sein. Das hab ich ihm auch gesagt.«
»Sag nicht ›ihm‹. Er ist dein Vater.«
»Na und.«
»Er macht eine harte Zeit durch.«
»Vor einem Jahr war's ne harte Zeit – jetzt ist es nur noch langweilig.«
Jane war es so müde, sich um alles gleichzeitig zu kümmern – ihre Tochter aufzuziehen, ihr beizustehen und ihr den Vater zu ersetzen und immer darauf zu warten, dass Jeff wieder zur Besinnung käme –, dass sie hätte schreien mögen. Manchmal tat sie das auch. Dann drückte sie ihr Gesicht ins Kopfkissen und schrie, so laut sie konnte. Jetzt bekam sie eine Riesenwut – wenn Mandy noch mal mit den Augen rollte, würde sie sich die Gabel schnappen und sie ihr in den Handrücken rammen.
»Ich sag dir was. Das ist für alle schwer gewesen – für dich, für mich und für ihn. Er ist nicht so. Daran ist nur sein verdammter Job schuld.«
»Jetzt fängt diese Leier wieder an.«
Jane rief so wütend nach der Rechnung, dass sie sich nicht traute, ihre Tochter wieder anzusehen. Die Besitzerin – eine Frau namens Po, die wusste, dass die beiden zu Talley gehörten – bestand wie immer darauf, sie einzuladen. Und wie immer bezahlte Jane, diesmal aber hastig, in bar und ohne auf das Wechselgeld zu warten.
»Gehen wir.«
Sie lief auf den Parkplatz und sah Amanda noch immer nicht an. Ihre Absätze knallten auf das Pflaster; es klang wie Pistolenschüsse. Sie setzte sich ans Steuer, ließ den Wagen aber nicht an. Amanda rutschte auf den Beifahrersitz und zog die Tür zu. Die Nachtluft roch nach Salbei, Knoblauch und Essensdünsten, die aus dem Abluftschacht des Restaurants kamen.
»Warum fahren wir nicht los?«
»Ich bemüh mich, dir nicht an die Gurgel zu springen.«
Als Jane klar war, was sie zu sagen hatte, sagte sie es.
»Ich habe furchtbare Angst, dass dein Vater jetzt tatsächlich aufgibt und sich vollständig zurückzieht. Heute Abend hab ich ihm das angesehen. Dein Vater weiß genau, wie sehr wir unter der ganzen Situation leiden – er ist ja nicht blöd. Wenn wir miteinander reden, Amanda, sagt er, er fühle sich völlig leer, und ich weiß nicht, wie ich diese Leere vertreiben kann. Er sagt, er sei tot, und ich weiß nicht, wie ich ihn zum Leben erwecken kann. Glaubst du, ich würde es nicht versuchen? So sieht's aus: Wir leben getrennt, die Zeit vergeht, er suhlt sich in seiner verdammten Depression. Dein Vater wird einen Schlussstrich ziehen – einfach, um uns zu verschonen. Und jetzt, kleines Fräulein, sag ich dir was: Ich will nicht verschont werden. Ich will auf keinen Fall verschont werden! Früher war dein Vater voller Lebensmut und Energie, und ich habe mich in diesen einzigartigen Mann stärker verliebt, als du dir ausmalen kannst. Du willst nichts von seiner Arbeit hören? Fein! Aber nur ein so großartiger Mann wie dein Vater konnte durch seine Arbeit so tief verletzt werden. Wenn du jetzt denkst, ich versuche nur, ihn zu entschuldigen – bitte! Wenn du meinst, ich bin eine Versagerin, weil ich auf ihn warte – Pech! Ich könnte andere Männer haben, aber ich will sie nicht. Ich weiß nicht mal, ob er mich noch liebt, aber eines sag
Weitere Kostenlose Bücher