Hostage - Entführt
sich ihre Blicke jetzt träfen, würde er sofort wissen, was los war. Sie schob das Messer unterm T-Shirt in den Bund ihrer Shorts und weiter unter den Bikini-Slip, bis es waagrecht an der Bauchdecke lag.
»Was machst du da?«
»Ich hol Teller.«
»Du lässt die Eier anbrennen. Das riech ich doch.«
Sie trug die Teller zum Herd und spürte, wie das Messer gegen ihren Bauch drückte. Wenn sie mir jetzt den Rücken zudrehen, dachte sie, kann ich sie töten.
Vorn im Arbeitszimmer läutete das Telefon.
15
Freitag, 23:02
Talley
Die Sheriffs hatten für Maddox und Ellison eine spezielle Telefonverbindung eingerichtet: Maddox' Handy war durch einen Sender mit der Einsatzzentrale verbunden, wo seine Gespräche mit Rooney in die Leitung der Smiths eingespeist wurden. So genossen die Unterhändler die Bewegungsfreiheit eines Handys, während ihre Gespräche in der Zentrale aufgezeichnet werden konnten. Martin, Hicks und alle, die dort waren, hörten bei jeder Kontaktaufnahme mit. Das wollte Talley nicht.
Er nahm sein Handy aus der Tasche, hatte aber Smiths Nummer vergessen und musste danach fragen.
Maddox sah ihn überrascht an: »Wir haben doch ein eigenes Verhandlungstelefon.«
Talley ging darauf nicht ein.
»Mein Handy ist mir lieber. Haben Sie die Nummer?«
Sofern die Sheriffs das Relais nicht ausgetauscht hatten, kamen Anrufe von Talleys Handy weiter in Smiths Haus an. Ellison las die Nummer vor, während Maddox Talley beobachtete. Dem war klar, dass die beiden sein Verhalten seltsam fanden, aber das war ihm egal.
»Warum machen Sie das?«
»Was?«
»Sie kommen aus heiterem Himmel zurück und rufen da drin an. Jeder Anruf muss einen Grund haben. Also warum?«
Talley hörte auf zu wählen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er hatte einen gewissen Respekt vor Maddox entwickelt und wollte ihm die Wahrheit sagen, doch seine Furcht ließ das nicht zu. Er brauchte Smith. Unbedingt. So viel war sicher. Smith war das Bindeglied zu denen, die seine Frau und seine Tochter in ihrer Gewalt hatten. Er betrachtete das Haus eingehend, fragte sich, was da drin los war, und sah dann Maddox an. Er musste etwas sagen, das ihn auf seine Seite brachte.
»Ich fürchte, Smith ist tot, und glaube, ich kann Rooney dazu kriegen, das zuzugeben, ohne ihn auf den Gedanken zu bringen, dass der Junge angerufen hat.«
»Falls er tot ist, wird Rooney uns das bestimmt nicht erzählen. Aber der Junge hätte es uns bestimmt gesagt.«
»Was machen wir also, Maddox? Wollen Sie das Haus stürmen lassen?«
Maddox hielt Talleys Blick stand und nickte schließlich: »Na gut.«
Talley wählte und wartete aufs Läuten. Die Vorderfront und die Seiten des Hauses lagen im grellen Licht der Scheinwerferbatterien, die die Sheriffs aufgebaut hatten. Die Beleuchtung war so stechend, dass das Haus verwaschen und ausgeblichen wirkte, während riesige Schlagschatten wie Grabsteine über den Rasen im Vorgarten fielen. Das Telefon läutete viermal, bis Rooney endlich abhob.
»Bist du das, Talley? Ich hab dich zurückkommen sehen.«
Drei Herzschläge lang schwieg Talley. Das war ihm noch nie passiert, aber er brauchte so lange, um die Angst zu unterdrücken, die sonst in seiner Stimme gelegen hätte. Er durfte keine Schwäche verraten – nichts, was Rooney warnen oder misstrauisch machen könnte.
»Talley?«
»Hallo, Dennis. Sie sind im Arbeitszimmer und beobachten uns?«
Die Jalousielamellen wurden kurz auseinander gezogen, doch Dennis antwortete nicht.
»Haben Sie mich vermisst?«
»Ich mag den Neuen nicht, diesen Maddox. Der denkt, ich bin blöd – ruft jede Viertelstunde an und tut so, als wollte er wissen, ob bei uns alles in Ordnung ist. Dabei soll uns das nur wach halten. Ich bin nicht blöd.«
Talley merkte, dass es ihn beruhigte, wieder am Telefon zu sein. Vor ein paar Stunden hatte er das noch gehasst, jetzt gab ihm die Vertrautheit der Situation Kraft – nur er, das Telefon und der Täter: eine kleine, abgeschlossene Welt, in der er mit der Stimme am anderen Ende einen Kampf austrug. Erstaunt spürte er ein Selbstvertrauen, das er seit Jahren nicht gekannt hatte, ein sicheres Gefühl, diese Welt – wenn nicht sogar die ganze Welt – im Griff zu haben. Er sah zu den Hubschraubern hoch: zwei Engel, rot und grün.
»Ich bin zurückgekommen, weil wir ein echtes Problem haben.«
Wie er vorhergesehen hatte, zögerte Rooney und dachte nach. Talley war klar, dass Maddox und Ellison von dem überrascht wären, was er Rooney
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