Hot Summer
Stereoanlage hören, können wir Geld sparen“, sagte Claire ruhig. „Wir können meinen iPod mit Musik bespielen.“
„Ja.“ Mary nickte. „Das wäre wohl besser.“
Wir verabschiedeten uns, und ich packte meine Notizen zusammen und machte mich auf den Heimweg. Musik aus dem Radio hätte mich vielleicht abgelenkt, aber ich fuhr in der Stille heim und dachte nach.
Die Vergangenheit verändert sich nicht, egal wie viel Zeit man damit verschwendet, über sie nachzudenken. Das Gute und das Schlechte werden zusammenaddiert und ergeben ein Ganzes. Wenn man einen Teil wegnimmt, egal wie klein dieser Teil ist, ändert sich alles. Ich weiß nicht, ob es optimistisch, pessimistisch oder fatalistisch ist, aber ich verbringe meine Zeit nicht damit mir zu wünschen, dass die Vergangenheit anders verlaufen wäre, weil die Gegenwart dann auch anders wäre. Ich beeinflusse meine Zukunft mit den Entscheidungen, die ich heute treffe. Aber da bin ich auch die Einzige.
Meine Schwestern und ich sind im selben Haus geboren worden und aufgewachsen. Wir hatten dieselben Eltern, waren zu denselben Schulen gegangen, und doch: Wir waren so verschieden. Unser Kleidungsstil, unser Musikgeschmack, die politischen Ansichten, der Glaube. Wir hätten vier Fremde sein können, doch wir hatten eine Sache gemein.
Unseren Wunsch nach Perfektion.
Patricia war die perfekte Mutter. Sie backte Kekse, nähte die Halloweenkostüme ihrer Kinder selbst und war die Mom, die ihre Kinder zum Sport fuhr und morgens an der Haustür wartete, bis der Schulbus kam. Ihre Kinder bekamen Pausenbrote mit, die nicht zu süß waren. Keine Cola. Die Kinder waren ordentlich und gut erzogen, und wenn sie hin und wieder kleine Terroristen waren, dann lag das nicht an mangelnder Erziehung, denn Patricia erzog die Kinder mit sanfter, aber fester Hand.
Mary war bis vor Kurzem die perfekte Jungfrau gewesen. Sie hatte sich für die Ehe oder für Jesus aufbewahrt, und jetzt für keins von beiden. Sie half in Suppenküchen aus und spendete Blut. Sie ging jeden Sonntag zur Kirche und fluchte beinahe nie.
Claire hatte sich gegen die Perfektion entschieden und war die perfekte Rebellin geworden. Sie war schon immer ein Durcheinander aus Klamotten, wilden Haaren und rebellischem Verhalten gewesen. Sie nahm sich selbst die Rolle als wildes Kind ab. Sie war diejenige, die es nicht kümmerte, was andere Leute über sie dachten.
Ich spielte auch die Perfekte. Die perfekte Tochter, diejenige, die sich um alle kümmerte. Die alles hatte. Das Haus, das Auto. Den Mann. Alles war hell und strahlend.
Und doch, wie meine Schwestern war ich darin gescheitert, perfekt zu sein. Ich hatte keine Kinder, über die ich mich ärgern musste, kein Image von mir, das ich aufrechterhalten wollte. Und ich sehnte mich auch nicht heimlich danach, gemocht zu werden. Nein. Ich hatte ein perfektes Leben. Auto, Haus, Mann. Alles super.
Aber wie konnte alles perfekt sein, wenn ich den Wunsch verspürte, etwas zu verändern?
9. KAPITEL
Ich brauchte lange für den Heimweg. Denn ich musste über vieles nachdenken. Als ich schließlich heimkam, hing der Geruch nach Zigarrenrauch in der Luft und ließ mich niesen. Ich hörte Gelächter, das aus dem Fernsehzimmer heraufdrang und folgte dem Geräusch. Von der Tür aus beobachtete ich die beiden Männer eine Weile, ohne dass sie mich bemerkten.
Sie spielten Karten. James saß in Schlafanzugshose und T-Shirt am Tisch und hatte sich eine Zigarre zwischen die Zähne geklemmt, während er die Karten neu gab. Alex trug diese verdammt sexy Jeans und ein offenes Hemd und lümmelte sich mit einem Glas in der einen Hand auf dem Sofa. Er nahm die Karten mit der freien Hand auf. Seine Zigarre klemmte in einem selbst getöpferten Aschenbecher. Das offene Fenster und der Deckenventilator hatten verhindert, dass der Rauch zu dick wurde, aber es reichte trotzdem, um in meinem Hals zu kitzeln. Eine grüne Flasche mit etwas, das aussah wie Wein, stand auch auf dem Tisch. Ein silberner Löffel und eine Schachtel Würfelzucker lagen daneben.
„Einsame Buben, wohin man schaut.“ James sprach um die Zigarre herum und platzierte den Kartenstapel auf dem Tisch. Er fächerte seine Karten in der Hand auf.
„Ist das nicht immer so?“ Alex stürzte die Reste der Flüssigkeit in seinem Glas herunter. Es sah nicht aus wie Wein. „Schon als ich dir das erste Mal gezeigt habe, wie man pokert, hast du es immer nur auf die Buben abgesehen, Alter.“
Das Kitzeln in meiner Kehle
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