Hotel Mama vorübergehend geschlossen
hinterher, »wir bleiben dicht hinter euch!«
Das nächste Floß war offenbar für Flitterwöchner oder Liebespaare präpariert, denn über den beiden Sitzen wölbte sich ein aus Palmblättern geflochtenes Dach, durch das die Sonnenstrahlen flimmerten. An den Seiten steckten Blüten, die wie Orchideen aussahen und wahrscheinlich auch welche waren. Zeitweise würde man durch einen Dschungel fahren, hatte Tinchen noch gestern im
Reiseführer für Jamaika
gelesen, da sollten sie ja wie Unkraut wachsen.
Obwohl sie weder wie Hochzeitsreisende aussahen noch wie ein frisch verliebtes Paar, durften sie einsteigen. »Today no honeymooner«, bedauerte der Flößer, schob seine meterlange Bambusstange ins Wasser und stakte los, »too early.«
»Was erwartet der denn?« raunte Florian. »Die stehen doch selten vor dem Mittagessen auf!«
Das Floß gewann Fahrt, ließ die Anlegestelle mit Sonnenschirmen, Hot Dogs und gerade heranrollendem Reisebus hinter sich, und schon nach der ersten Flußbiegung wurde Tinchen von der ständig wechselnden Landschaft gefangengenommen. Mal war das Ufer flach und steinig, dann wieder stieg es steil an, bewachsen mit den verschiedensten Palmenarten und Baumfarnen, dazwischen unzählige üppig blühende Pflanzen. »Guck mal nach links, Tine, da wächst der Bambus wie bei uns der Fichtenwald, und kein Mensch kümmert sich darum. Dabei wären sogar schon die abgebrochenen Äste ein Vermögen wert, denk bloß mal an die drei Meter Bambus, die wir für den Ficus gebraucht haben. Weißt du noch, was die gekostet haben?«
Tinchen wußte das nicht mehr, auf jeden Fall über zehn Mark, und erst zu Hause hatte sie gesehen, daß die kaum fingerdicke Stange einen Riß gehabt hatte und schon eine Woche später beim Zusammenstoß mit Frau Klötzers Putzeimer gesplittert war. Trotzdem schüttelte sie den Kopf. »Hat keinen Zweck, Flori, wir kriegen sie nicht in den Koffer!«
Eine Kakophonie von Geräuschen erfüllte die Luft. Vögel kreischten, hauptsächlich wohl Papageien, vermutete Tinchen, gesehen hatte sie noch keinen, doch es hörte sich genauso an wie Frau Reutters schon reichlich asthmatischer
Kakatoe sulfurea,
ein gräßliches Vieh, das ›Liebchen‹ hieß und Popcorn fraß. Kolibris flirrten um weitgeöffnete Blüten, ein schwarz-rosa geflecktes Hausschwein, mit dem Hinterlauf an einen Baum gebunden, suhlte sich zufrieden grunzend in einer Schlammpfütze. Am anderen Ufer erstreckte sich ein Sumpfgebiet, in dem sich Silberreiher tummelten. Plötzlich vereinzelte Hütten, winkende Kinder am Strand, kleine Jungs, kaum älter als Tim, die nach Muscheln und Krebsen tauchten, auf der zwischen Bäumen gespannten Leine Wäsche, naßforsch nach dem Wind schnappend. Weiter hinten ein Feld mit wie Taft raschelnden Maisstauden.
Ab und zu kam ihnen ein Flößer entgegen, der schwitzend eine Kette von vier oder fünf aneinandergebundenen Flößen flußaufwärts stakte. Das müßten immer die Lehrlinge tun, erläuterte ihr Fährmann, der Francisco hieß, weil er einen spanischen Großvater hatte, auf diese Weise lernten sie den Fluß am besten kennen. Florian sah sich den nächsten Lehrling genauer an und schätze ihn auf mindestens fünfundzwanzig Jahre. Das könne stimmen, sagte Francisco, seinem künftigen Konkurrenten zuwinkend, es dauere mehrere Jahre, bis ein Flößer den Fluß ganz genau kenne, jetzt sei der Wasserstand niedrig, bei ansteigendem verändere sich aber ständig die Strömung, und das sei manchmal nicht ungefährlich.
Florian konnte sich zwar nicht vorstellen, was an diesem kaum zwei Meter tiefen Wasser mit den vereinzelten, unermüdlich Steine polierenden kleinen Stromschnellen gefährlich werden könnte, doch das änderte sich, als sie in die Bucht mit dem unwahrscheinlich blauen Wasser kamen. Zwei ›fremde‹ Flöße lagen schon dort, dazu das der van Dahlens, und eben schoben sich die zehn Meter Bambus mit Toni und Dorothee dazwischen. Francisco hielt mehr aufs Ufer zu, obwohl es nur aus dichtem, undurchdringlichem Gebüsch bestand. Von den Ästen der Bäume, deren dunkelgrünes, feuchtschimmerndes Laub ein in sich verschlungenes Dach bildete, hingen Lianen bis zum Wasser herab.
»Ist das schön, Flori«, flüsterte Tinchen ehrfürchtig, »hättest du geglaubt, daß es so etwas Herrliches geben kann?« Sie konnte sich gar nicht sattsehen. »Diese irren Farben! Sieh mal, da drüben, wo die Sonne hinkommt, sieht das Wasser aus wie ein riesiger Smaragd, und hier vorne hat es ein Blau,
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