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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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siebzig noch Vater geworden.
    »Ich bezweifle nur, daß Dorothee noch Mutter werden kann«, sagte Frau Antonie bissig.
    »Und ich bezweifle, daß sie es noch werden möchte!« konterte Frau Helmers sofort. »Lassen Sie ihr doch den kleinen Flirt, Toni, selbst wenn mehr daraus werden sollte. Viele Frauen sind auf ihren guten Ruf bedacht. Die anderen werden glücklich!«
    Frau Antonie schluckte auch noch diese Kröte, aber dann bemühte sich Tinchen, das Gespräch in weniger gefährliche Bahnen zu lenken. »Hat Ihnen meine Mutter eigentlich schon von den Hochzeitspaaren erzählt, die von unserem Hotel aus immer erst über den FKK-Strand laufen müssen, bevor sie zu dem Tülltempel kommen?«
    Als Björn nach akkurat anderthalb Stunden an die Tür klopfte, sich für die Störung entschuldigte, höflich den Besuch begrüßte und dann Tinchen an den bald beginnenden Elternabend erinnerte, an dem sie ja unbedingt teilnehmen wolle, hatte Frau Helmers bereits zwei Tassen Kaffee getrunken (die letzte ohne Verwässerung) und drei Gläser Cointreau, während Toni und Frau von Rothenburg die umgekehrte Reihenfolge vorgezogen hatten und nun dringend auf die Toilette mußten. Damit wurde der allgemeine Aufbruch eingeläutet.
    »Auf Jamaika würde ich jetzt meinen Lunch nehmen«, sagte Frau Antonie und ließ sich von Björn in den Mantel helfen, »unter einer schattenspendenden Palme sitzen und auf das sonnenglitzernde Meer schauen.« Ein tiefer Seufzer folgte. »Weshalb bin ich eigentlich zurückgekommen?«
    »Weil du es ohne deine Familie gar nicht aushalten würdest, Mutsch!« Tinchen drückte ihrer Mutter einen Kuß auf die Wange, dabei überlegend, wo um alles in der Welt Toni im Speisesaal unter der schattenspendenden Palme gesessen haben wollte. »Über wen würdest du dich denn sonst ärgern können?«
    Die Tür war hinter den dreien noch kaum ins Schloß gefallen, als sie sich zu Björn umdrehte: »Elternabend! Was Besseres ist dir wohl nicht eingefallen? Hoffentlich haben sie das geglaubt.«
    Er lächelte spöttisch. »Warum sollten sie denn nicht? Es stimmt doch!«
    So kam es, daß sich Tinchen in ihr dunkelblaues Jackenkleid warf, denn Elternabende hatte sie noch als kleine private Modenschauen in Erinnerung, auf Make-up verzichtete in der Hoffnung, bei ihrem noch immer dunkel gebräunten Gesicht würde das nicht auffallen, und dann mit nur fünf Minuten Verspätung in das Klassenzimmer der 9b platzte, wo sie teils mißbilligend, teils überrascht, in jedem Fall aber mit neugierigen Blicken empfangen wurde. Der Herr vorne am Lehrerpult schien etwas irritiert, stellte sich dann jedoch als Dr. Hembach vor, seines Zeichens Klassenlehrer, und wenn er sich nicht irre, dann habe er es wohl mit der Großmutter des neuen Schülers Björn Bender zu tun?
    »Da muß ich Sie leider enttäuschen, Herr Doktor, aber Kinderehen sind in Deutschland auch in früheren Jahren nicht gestattet gewesen. Ich bin Björns
Tante!«
    Der Herr Doktor stotterte eine Entschuldigung, und als Tinchen unter vereinzeltem Gelächter einen freien Platz suchte, wurde sie gleich von mehreren Personen herangewinkt. Sie setzte sich neben einen Herrn, der ihr gleich beim Hereinkommen durch seine dichte weiße Haarpracht aufgefallen war. »Gut gekontert, gnädige Frau!« sagte er leise, »aber wenn Sie schon die Großmutter eines dieser Schüler sein sollen, was um alles in der Welt bin dann ich? Der Urahne?«
    »Pssst!« klang es hinter ihnen, wofür Tinchen äußerst dankbar war, denn ihr war so schnell keine halbwegs originelle Antwort eingefallen. So hörte sie mit scheinbarem Interesse zu, was Herr Dr. Hembach, zuständig für Mathematik und Physik, über das Pensum des zweiten Schulhalbjahres zu erzählen hatte, verstand nichts, was man ihr hoffentlich nicht ansah, und überließ gelegentliche Zwischenfragen denjenigen, die offenbar begriffen, worüber da vorne doziert wurde. Plötzlich beugte sich ihr Nachbar zu ihr herüber. »Machen Sie sich nichts draus, gnädige Frau, ich komme da auch nicht mehr mit. Manchmal sehne ich mich zwar, wie wohl jeder gelegentlich, nach der Jugend zurück, aber dann sehe ich morgens meinen Jüngsten mit dem Mathebuch unterm Arm … «
    Endlich Stühlerücken, Gelächter, Gesprächsfetzen – der offizielle Teil des Elternabends war zu Ende, der gesellige sollte ›am üblichen Platz‹ fortgesetzt werden. Ein Teil der Anwesenden umringte Dr. Hembach, ein anderer driftete auf der Suche nach Fachlehrern in verschiedene

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