Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Redaktion etwas schreiben wollte, dann durfte er das selbstverständlich auf einem PC tun, allerdings unter der Voraussetzung, daß sich eine versierte Person in Rufweite befand, um bei eventuellen Pannen eingreifen zu können, bevor sie wieder in eine Katastrophe ausarteten. Seit neuestem wurde der Redaktionsbote dazu abgestellt, der hatte in der 9. Klasse an einer Computer-AG teilgenommen.
Arbeitete Florian zu Hause, dann tippte er seine Artikel weiterhin auf der alten Erika, einem Relikt aus jener Zeit, als die ehemalige DDR noch sowjetische Besatzungszone geheißen hatte. Im Laufe der Jahrzehnte war die Schreibmaschine zwar ein bißchen klapprig geworden und hatte zwei Zähne verloren, doch das Ä und das Y brauchte man sowieso nicht oft, die konnte man bei Bedarf handschriftlich einfügen. Florian hatte wirklich keinen Grund gesehen, sich einen PC anzuschaffen, es war vielmehr seine jugendliche Verwandtschaft gewesen, die ihn ständig gehänselt hatte, allesamt Abkömmlinge von seinem Bruder Fabian und dieser gräßlichen Gisela. Dabei war die erste Generation ja noch ganz gut geraten, aber deren Kinder …? Kotzbrocken allesamt! Jedenfalls fast alle!
»Wie ist das denn nun mit den Weihnachtsgrüßen? Kriegst du die heute noch fertig?«
Florian fuhr zusammen. Er hatte sein Tinchen total vergessen, dabei war sie es doch gewesen, die den letzten Anstoß zum Kauf dieses blöden Computers gegeben hatte. »Sieh mal, Flori«, hatte sie erst vorige Woche wieder gesagt und ihm einen Briefbogen mit verschneiten Tannen am Rand gezeigt, »den habe ich von Lilo gekriegt, hat sie selber entworfen, dabei hat sie nie zeichnen gekonnt! Muß sie auch nicht, schreibt sie, das macht jetzt alles der Computer. Wann schaffst du endlich einen an? Den kannst du doch sogar von der Steuer absetzen!«
Nicht zuletzt dieses Argument hatte den Ausschlag gegeben! Und nun saß er vor dem Bildschirm und wußte nicht mal, wie er die graue Fläche beleben, geschweige denn mit Tannenbäumen verzieren sollte. Halblaut las er vor: »Wenn Sie ein Bitmap des aktiven Fensters erstellen und in die Zwischenablage kopieren wollen … Wer will denn das?!« jammerte er entnervt und warf das Buch in Richtung Papierkorb. »Beim Kauf von so einem Monstrum kriegt man zwar ein Kilo Literatur mitgeliefert, aber deren Studium setzt mindestens einen Uni-Abschluß in Englisch und Physik voraus. Die deutschen Texte muß jemand geschrieben haben, der sonst die Steuergesetze formuliert – für normale Menschen also absolut unverständlich. Und ich bin ein normaler Mensch!«
»Natürlich bist du das, Flori«, bestätigte Tinchen sofort, »du bist eben nur anderweitig begabt. Was hat dieser Computer eigentlich gekostet?«
»Alles in allem sechstausendundetwas, genau weiß ich das nicht mehr. War sowieso rausgeschmissenes Geld!« knurrte er erbittert.
»Ganz schön teuer! Hättest du nicht einen nehmen können mit einem etwas niedrigeren Intelligenz-Quotienten?«
Verblüfft drehte Florian sich um.
»Sicher wäre er billiger gewesen«, behauptete Tinchen mit todernster Miene, »und vielleicht auch leichter zu bedienen. Weil diese Geräte doch entsetzlich dämlich sind – übrigens kein Wunder, sie sind ja männlichen Geschlechts! und lediglich das tun, was man ihnen sagt, sollte sich logischerweise auch nur jemand davorsetzen, der intelligent genug ist, die erforderlichen Anweisungen zu geben. Da es bei dir damit offenbar noch hapert, dachte ich, daß du …!«
»Raus!«
Bevor sie die Tür hinter sich zuzog, meinte sie tröstend: »Wenn du das mit den Weihnachtsgrüßen nicht mehr schaffst, kannst du doch schon mal welche für Ostern anfangen, die brauche ich dann ja auch.«
Vergnügt vor sich hinträllernd ging sie hinüber in ihr Zimmer. Das hatte gesessen! Richtig geknickt hatte Florian ausgesehen! Macht nichts, Rache ist süß, und daß sie ihm irgendwann die Geschichte mit dem neuen Herd heimzahlen würde, war ja klar gewesen, es hatte sich nur erst die passende Gelegenheit finden müssen!
Im Frühjahr war es gewesen, als sich der alte Elektroherd plötzlich in ein feuerspeiendes Ungeheuer verwandelt, Funken geschlagen und kurz darauf endgültig seinen Geist aufgegeben hatte. Ein neuer war fällig gewesen, jetzt natürlich einer mit Ceranfeld, Heißluft, eingebautem Grill, Infratherm und ähnlichen Spielereien, von denen sie längst noch nicht alle ausprobiert hatte.
Das gute Stück war am Vormittag geliefert worden, und nachdem sie es zunächst von
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