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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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den geklauten Wagen von Dr. Laritz, seines Zeichens Kulturapostel des TAGEBLATT, wiederbeschaffen können. Und das innerhalb von 48 Stunden. Er hatte einfach seine Verbindungen spielen lassen, bei den richtigen Leuten ein paar falsche Behauptungen fallen lassen, und prompt hatte der silbergraue Opel Admiral am Morgen auf dem Parkplatz vorm Pressehaus gestanden. Seitdem hatte Gerlach immer die zwei kostenlosen Presse-Karten für Oper und Schauspielhaus bekommen, während Dr. Laritz seine selber bezahlt hatte. Er mußte gehen, Gerlach hätte gedurft, nur hatte der es meistens vorgezogen, seine Karten entweder für teures Geld zu verscherbeln oder an besonders Auserwählte zu verschenken. Zu letzteren hatte Tinchen gehört, damals als Redaktionssekretärin unter anderem auch zuständig für die Wiederbelebungsmaßnahmen bei übernächtigten Reportern. Da Gerlach zu jenen gezählt hatte, die besonders häufig schwarzen Kaffee, Aspirin und Rollmöpse aus der Dose brauchten, war Tinchen öfter mal in den Genuß einer Premierenkarte gekommen und hatte sich sogar ein zweites ›Kleines Schwarzes‹ gekauft, weil man bei solchen Gelegenheiten zwar immer dieselben Leute trifft, doch leider nie in denselben Kleidern.
    Eines Tages, als Frau Antonie sich schon auf den Premierenabend von Elektra gefreut und das lange Grünseidene zum Lüften auf den Balkon gehängt hatte, hatte Gerlach Tinchen eröffnet, daß er sie diesmal begleiten werde – vorausgesetzt natürlich, sie habe nichts dagegen. Tinchen hatte entschieden etwas dagegen, hauptsächlich deshalb, weil sie für Opern generell wenig und für dramatische überhaupt nichts übrig hatte. Folglich sollten ihre Eltern die Karten bekommen, eine Lösung, die bei den Betroffenen recht unterschiedliche, zum Teil sogar lautstarke Reaktionen ausgelöst hatten. Schließlich war Tinchen zu der Erkenntnis gelangt, daß ihre Abneigung gegen klassische Musikwerke wohl auf väterliches Erbgut zurückzuführen war.
    Vater Ernst war froh, Mutter Antonie dagegen enttäuscht gewesen, doch sie hatte eingesehen, daß ihre Tochter die Einladung von dem Herrn Gerlach nicht ausschlagen konnte, sondern sie im Gegenteil annehmen mußte. Das Kind war siebenundzwanzig und noch immer nicht verheiratet. Natürlich spielte das heutzutage keine so große Rolle wie zu ihrer eigenen Jugendzeit, als man mit Zwanzig wenigstens verlobt sein sollte, doch Ernestine schien nicht einmal daran zu denken! Und dieser kleine Lokalreporter, der sie manchmal abends nach Hause brachte, war auch nicht das, was man sich als Schwiegersohn wünschte.
    Als dann Peter Gerlach im Smoking – geliehen natürlich, doch das wußte Toni ja nicht – und mit einer Rose in der Hand vor der Tür stand, war sie begeistert. Gut sah er aus, begrüßte sie mit Handkuß, lehnte den angebotenen Drink mit dem Hinweis ab, noch fahren zu müssen, und versprach, Tinchen pünktlich nach Hause zu bringen. Deren Bemerkung, bekanntlich sei er doch erst ab 1,3 Promille überhaupt fahrtüchtig, hatte Frau Antonie nicht mehr mitbekommen, weil Gerlach Tinchen ganz schnell in den Mantel geholfen und damit ihre Stimme gedämpft hatte.
    Im übrigen war der Abend ein Fiasko geworden. Tinchen hatte nur mühsam ein Dauer-Gähnen unterdrücken können und schließlich angefangen, den Text im Programmheft rückwärts zu lesen, während Gerlach schon nach zwanzig Minuten mit dem Schlaf gekämpft hatte. Seine endgültige Niederlage verhinderten die nicht eben leise Musik und natürlich Elektra, deren phantastische Stimme ein dauerhaftes Einschlafen nicht zuließ. Während der Pause schlug Tinchen vor, auf das blutige Ende der Oper zu verzichten und lieber zum Hühner-Hugo zu gehen, sie habe nämlich außer einer Mohnschnecke und zwei Bananen noch nichts gegessen. Gerlach war nur zu gerne einverstanden, lehnte den Hähnchen-Imbiß allerdings ab, denn er kenne da ein entzückendes kleines Lokal …
    Eine Stunde später machte er Tinchen einen Heiratsantrag, und zwei Stunden später hatte er sich – zumindest für diesen Abend – damit abgefunden, daß er den Korb wohl erst einmal akzeptieren mußte. Zwei weitere Versuche im Laufe der nächsten Monate scheiterten ebenfalls, doch bevor er einen vierten starten konnte, kündigte Tinchen ihren Job und verdingte sich bei einem Touristikunternehmen als Reiseleiterin. Gerlach sah darin einen Wink des Schicksals und beschloß, Junggeselle zu bleiben und nur noch à la carte zu l(i)eben. Gewurmt hatte es ihn aber doch,

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